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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0092
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Max Dvofäk.

wie irgendwelche antike Kunstform in der Malerei oder Plastik. An die Stelle des bis zum feinsten
Subjectivismus durchgebildeten antiken Sprach- und Stilgefühls tritt alsbald theils eine verständnislose
Handhabung der alten Regeln, ein Zehren vom Ueberlieferten, wie etwa in theologischen und poeti-
schen Arbeiten, theils ein Zurückgehen bis zu den elementarsten Anfängen, wie in den Annalen und
wissenschaftlichen Gompendien. Erst die Scholastiker begründen wieder einen neuen Stil und im
XIV. Jahrhundert findet, versteht man den antiken wieder, wenigstens in seinen auffallenden und pa-
thetischen Formen. Es ist das keine geringere Entdeckung als diejenige der Werke der antiken bil-
denden Kunst und man denkt an Brunelleschi.

Einen Gradmesser für diese Entwicklung bildet die Brief- und Urkundensprache. Aus classisch-
juristischen Sätzen und barbarisch-primitiven Formeln wurde das feste Gefüge der frühmittelalterlichen
Urkunde zusammengestellt. Als die Mannigfaltigkeit des Inhaltes eine neue Stilisirung erforderte, be-
gann sich ein neuer Kanzleistil auszubilden, in Paris und bei der Curie, in Sicilien und in der kaiser-
lichen Kanzlei. In der reichen Ausgestaltung und Vermehrung der traditionellen Formulare gewinnt
eine individuelle Stilisirung und damit der Einfluss der allgemeinen Stilentwicklung immer mehr
Boden. Und nun beginnen italienische Humanisten Briefe zu schreiben, in denen der antike Epistolar-
stil wieder erweckt werden soll.

Auf uns machen diese Verbuche den Eindruck einer selbstgefälligen Spielerei, für die Zeitgenossen
waren sie von revolutionärer Bedeutung, etwa wie die Shakespeare-Nachahmungen für die Roman-
tiker. Die Stellen in Briefen des Kanzlers, in welchen mit einer glühenden Bewunderung der »Stili ma-
gistralis apparatus magnificus et verborum sublimium mellica dulcedo« gepriesen wird, sind sicher
nicht als inhaltlose Phrasen aufzufassen. Von ihm und seinen Beamten wurde der Humanistenstil in
die Kanzlei eingeführt; wir erkennen daraus den Gesichtspunkt, von dem die Sache betrachtet wurde.

Dieser literarischen Beeinflussung folgt bald eine persönliche. Im Jahre 1354 kam Johann von
Neumarkt mit Karl nach Italien. Mit welchen Augen er Italien sah, beweist ein Brief, den er während
seiner Reise in die Heimat schrieb und über den ich einige Worte Burdachs citiren möchte: »Ein
überschwängliches Entzücken athmet darin. Mit einem feierlichen regelrechten Hexameter leitet er
seinen Jubel ein. Das goldene Zeitalter, das Paradies, die Hesperidengärten glaubt er dort kennen
gelernt zu haben. Und die tiefe innere Erregung sucht er durch die Fülle der Worte, in denen er das
Wesen antiker Beredtsamkeit erblickte, durch Häufung von Synonymen auszudrücken. Dies Schreiben
hat eine weltgeschichtliche Bedeutung: zum ersten Male sieht hier ein Deutscher Italien mit den Augen
der modernen Zeit und redet davon mit jenem Enthusiasmus, aus dem die deutsche Renaissance ent-
sprungen ist.«

In Mantua wurde Johann von Neumarkt mit Petrarca bekannt, dann mit Zanobi da Strada und
anderen Vertretern der jungen Bewegung. Er wurde daselbst Humanist und nahm den Geschmack,
die Bestrebungen und Liebhabereien, die wichtigen und unwichtigen Sachen des Petrarcakreises auf.
Er sei zufrieden, sich an Brocken sattessen zu können, welche vom Tische Petrarcas heruntergefallen
sind, sagt er einmal.1 Es ist dies eine Höfiichkeitsphrase, die doch nicht ganz unwahr ist. Er sammelt
classische Handschriften und verehrt Augustin und Hieronymus, in denen man von einem anderen
Standpunkte aus als wir die Vertreter der classischen Periode der christlichen Theologie sah. Er
schwärmt für Augustiner-Eremiten; denn S. Spirito in Florenz war ein Mittelpunkt der humanistischen
Bewegung. Er sammelt Briefe und dichtet lateinische Marienlieder, die dem neuen italienischen Ma-
donnencultus entsprechen. Mit Recht hat man ihn mit Coluccio Salutati verglichen.2

Wohl Niemand hat mit so begeisterten Worten die Bücherliebhaberei gepriesen wie Richard
Bischof von Durham, Kanzler von England unter Eduard III., einer der ersten englischen Huma-
nisten und Begründer der Oxforder Bibliothek, in seinem Philobiblon. Er ist im Jahre i33o oder
i333 in Avignon gewesen und sein überschwängliches Bücherlob gibt jene Stimmung wieder, die in

1 Tadra, Summa cancellariae, p. 3o.

2 Ueber alle diese Bestrebungen des Kanzlers ist zu vergleichen Burdach, a. a. O.
 
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