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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0156
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Heinrich Modern.

halten hat; der umgekehrte Fall ist mir nicht untergekommen. Letztere Auszeichnung galt eben als
die höhere. Schwert und Hut des Jahres 1509 wurden im Jahre 1510 an König Wladislaus II. von
Ungarn und Böhmen verliehen.1 Wir besitzen zwei Schilderungen von Augenzeugen, die der Cere-
monie der Uebergabe beigewohnt haben. Die eine rührt vom ausserordentlichen venezianischen Ge-
sandten Pietro Pasqualigo her. Sie ist in einem Privatschreiben enthalten, das dieser an seine Brüder
Alvise und Francesco Pasqualigo ddo. Tatha (Totis) 10. Juli 1510 richtete, welch' letztere dieses
Schreiben dem Marino Sanudo für sein Diarium zur Verfügung stellten (X, 851). Dieser Bericht lautet:
»Ich war mit der königlichen Majestät (Wladislaus II.) bei der Messe des Nuntius des Papstes, die ver-
flossenen Sonntag unter einem Sommerzelt abgehalten wurde. Nach Beendigung der Messe gab er
Sr. Majestät einen Hut aus violettem Sammt, ganz mit Perlen gearbeitet (gestickt) und mit
Hermelin verbrämt, von sehr ungewöhnlicher Form, er setzte ihn ihm auf ,als Wahrzeichen
des Schutzes der Gläubigen'. Er gab ihm ein überaus grosses Schwert in die Hand als Wahrzeichen,
,dass er Krieg führen werde gegen die Ungläubigen', und eine Schachtel aus Stuck voll mit geweihten
,Agnus Dei'. Er begleitete das Geschenk mit einer Rede und ertheilte hierauf allen Anwesenden
Generalablass. Es war ein schöner Anblick. Eine Fülle von Prälaten und Baronen (Standesherren),
alle in Gold gekleidet und mit Ketten (natürlich goldenen), und auch alle Gesandten waren anwesend,
wie zwei des Papstes — nebst Simon, Erzbischof von Modruss (Zengg), der Schwert und Hut über-
bracht hatte, kam auch über Wien Achilles de Grassis —, drei Gesandte aus Deutschland — darunter
Leonhard Graf von Nogarol und Cuspinian aus Wien —, einer aus Frankreich — Louis Helie, der
Widerpart de Grassi's auf dem Reichstage zu Augsburg —, zwei aus Polen, einer aus der Moldau,
einer aus Siebenbürgen und unser Gesandter (Vincenzo Guidoto). Auch der türkische Gesandte ist
gerade dazu gekommen; doch hat er noch keinen Empfang gehabt.«

Der zweite Bericht findet sich in Johannes Cuspinians Tagebuch. Dieser bemerkt zum 16. Juni
1510, dass er als Gesandter des Kaisers zum Könige von Ungarn sich begeben habe. Zum 7. Juli
schildert er die Schwertübergabe.2 Bezeichnender Weise befasst er sich mehr mit dem ihm neuen
kirchlichen Ceremoniel, während der weltkundige Sohn der prunkreichen Venezia sein Augenmerk
dem äusseren Schaugepränge, dem Glänze des Festes, der nationalen Pracht und Eigenart des Costümes
widmete.

Der Papst wollte Ungarn, das der Kaiser für die Liga von Cambrai zu gewinnen suchte, zu einem
Kriege gegen die Türken und zur Neutralität gegen Venedig bewegen. Die bedrängte Lage Venedigs
eröffnete damals für Ungarn die Aussicht, Dalmatien wiederzugewinnen. Wladislaus II., dieser Schatten-
könig, aber wollte nur Subsidien bekommen; woher, war ihm ziemlich gleichgiltig; zu einer Action
war er überhaupt nicht zu haben.3 Achilles de Grassis arbeitete, wie in Augsburg, auch in Totis im
Sinne des Papstes für Venedig gegen den Kaiser. Das Wiener Schwert Julius' II. war also nicht für
sondern gegen Kaiser Max I. geweiht.

Die Provenienznotiz des Ambraser Inventars vom Jahre 1596 ist somit, wenn auch nur zum Theile
richtig. Das Schwert stammt von Kaiser Ferdinand I. Präsentirt wurde es ihm aber vom Papste nicht.

1 Nach Abschluss meiner Arbeit übersandte mir Herr Dr. H. Pogatscher aus einer Handschrift des Diariums des Paris
de Grassis in der Biblioteca Vittorio Emmanuele zu Rom eine bisher unveröffentlichte Notiz, wonach der Papst am St. Stefans-
tage 1509 in einem Consistorium beschlossen habe, Schwert und Hut »dem Könige von Ungarn« zu verleihen (abgedruckt
in dem am Schlüsse folgenden Urkundenanhange).

2 Fontes rerum Austriacarum, Scriptores I, Wien 1855: Johannes Cuspinians Tagebuch, p. 403: »7. Julii. Hoc die
Tatte, in oppido Ungarie, fuit dicatum a Julio pontifice II. Vladislao regi Ungarie pileum et ensis aureus cum magna solemni-
tate et multis cerimoniis in missa et cum benedictione apostolica et plenariis indulgentiis. F'uit autem nuncius apostolicus
Simon, Modricensis episcopus, qui prius lectis litteris apostolicis credencialibus, quibus etiam mysficacionem explicavit mune-
rum pilei et ensis, dehinc habuit orationem brevem qua obtulit munera. Erant autem praesentes cum rege et proceribus suis
ac omnibus episcopis oratores Caesaris, orator regis Franciae, oratores duo regis Poloniae, orator Venetus. Erat autem praeter
legatum praedictum alius legatus apostolicus a latere, Achilles de Grassis.«

3 Das Intriguenspiel am Hofe des ohnmächtigen Wladislaus zu dieser Zeit hat Bischof Wilhelm Fraknoi in seiner
Schrift »Ungarn und die Liga von Cambrai«, Budapest (Kilian) 1883, geschildert.
 
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