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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0155
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Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses.

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(14. Mai 1509) fasste der staatskluge Senat von Venedig den ßeschluss, sofort dem Papste die Heraus-
gabe der romagnolischen Besitzungen anzutragen; allerdings zogen sich dann die Verhandlungen wegen
Lossprechung vom Interdicte, die erst am 24. Februar 1510 erfolgte, einigermaassen hin. Doch schon
am 3o. October 150g äusserte der Papst gegenüber dem venezianischen Unterhändler, Francesco Corner,
seine Genugthuung darüber, dass sein kaiserlicher Verbündeter unverrichteter Dinge von der Be-
lagerung Paduas abstehen musste, und knüpfte daran den Wunsch, die Venezianer mögen von den
Ligisten alles wieder zurückerobern (Brosch, a. a. O., S. 182, 34432).

Dies war die Stimmung und Gesinnung des Papstes, als Achilles de Grassis, Bruder des Cere-
monienmeisters Paris de Grassis, am 8. Jänner 1510 als ausserordentlicher Nuntius von Rom zum
Kaiser geschickt wurde. Er hätte Schwert und Hut mitzunehmen gehabt, wenn sie dem Kaiser damals
verliehen worden wären. Ueber die Abreise des Achilles de Grassis von Rom liegen uns zwei zeitge-
nössische Berichte vor, der des venezianischen Orators vom 9. Jänner, der über die politische Mission
des Achilles de Grassis begreiflicher Weise schlecht unterrichtet ist, — denn der Friede war damals
noch nicht geschlossen -— und der des Ceremonienmeisters Paris de Grassis, der offenbar durch seinen
Bruder gut informirt ist. Keiner von beiden erwähnt, dass der Bischof von Cittä di Castello für den
Kaiser Schwert und Hut mitgenommen hätte. Paris, der über Missionen, die ihm Sportein eintrugen,
mit epischer Breite erzählt, hätte dies gewiss nicht vergessen.1

Achilles de Grassis hatte den Auftrag, auf dem Reichstage zu Augsburg die Anträge des Kaisers
auf Gewährung der Mittel zur weiteren Kriegführung gegen Venedig zu bekämpfen. Diesen Auftrag
erfüllte Grassi, indem er die drei geistlichen und den Kurfürsten von Sachsen für den Papst gewann.
Er hatte dem Kaiser auch von dem inzwischen geschlossenen Frieden des Papstes mit den Venezianern
Mittheilung zu machen. Als er das diesbezügliche Schreiben des Papstes an den Kaiser diesem vor-
legte, warf der Kaiser den Brief zur Erde und wollte ihn nicht lesen. Ferner verweigerte der Papst die
weitere Zahlung der zugesicherten Subsidien. Nun gab auch der Kaiser seiner Stimmung freien Lauf
und Hess den gegen ihn intriguirenden päpstlichen Gesandten aus Augsburg ausweisen.
Jeder Zweifel hieran ist ausgeschlossen; wird doch die Thatsache von verschiedenen Zeitgenossen be-
richtet und hielt sich der Kaiser doch später für verpflichtet, dem Papste durch einen Gesandten seine
Entschuldigung über diese Ausweisung vorzubringen.2

Der ausgewiesene Achilles war also sicherlich nicht der Ueberbringer von Schwert und Hut,
das Verhältnis zwischen Papst und Kaiser liess derartige Gunstbezeigungen zu dieser Zeit nicht zu.
Noch eine Notiz aus de Grassi's Diarien zum Jahre 1514 sei erwähnt, die die Verleihung von Schwert
und Hut an Kaiser Max I. durch Julius II. überhaupt ausgeschlossen erscheinen lässt. Paris erzählt,
dass der Papst in seiner letzten Regierungszeit beschlossen habe, dem Kaiser die goldene Rose zu ver-
leihen, dass es aber durch den Tod des Papstes hiezu nicht gekommen sei.3 Es sind zahlreiche Bei-
spiele bekannt, dass ein Monarch nach der goldenen Rose von demselben Papste Schwert und Hut er-

1 Vgl. Marino Sanudo, tom. X, 166 (9. Jänner 1510), und Paris de Grassis ed. Döllinger, Anno 1510: »Die Martis 8. Januarii
Rmus pater dominus Achilles de Grassis, episcopus civitatis Castelli, frater meus, recessit ex urbe profectus ad Caesaream Maje-
statem missus a pontifice, orator ejus, pro nonnullis gravibus et maxime importantibus causis, ut quies quandoque suc-
cedat. Deus dirigat gressus ejus et nunquam minus quam cum 18 equis et totidem familiaribus praeter multos pedestresU

2 Marino Sanudo, tom. X, 87, II3, 219. Ueber die Ausweisung des Grassi: Guicciardini Francesco, Istoria d'Italia,
Vinegia (Ferrari) 1567, Uber VIII, 398: »E (II Re dei Romani) sdegnato col Pontefice .... aveva fatto partirc il
vescovo di Pesero suo Nunzio da Augusta« (Pesaro ist unrichtig: Grassi war damals Bischof von Cittä di Castello,
Bischof von Pesaro wurde er später) und Andreae Mocenici (Sohn eines der venezianischen Friedensunterhändler), Belli
Cameracensis historiae (Graevius, Thesaurus Antiquitatum et Historiarum Italiae, tom. V, pars IV, Lugd. Bat. 1722), Hb. II, 44:
»et minabundus propterea oratorem pontificis repulit.« Der Gesandte, der des Kaisers Entschuldigung hierüber vorbringen
will, wird vom Papste nicht empfangen: Sanudo X, 368. Der Abt von Sponheim, Trithemius (Chronic, coenobii Hirsaug,
Francf. Wechel 1601, f. 4^4) schreibt über den Vertragsbruch des Papstes: »fractoque foedere et pacto, quod cum principibus
inierat, rumpit et violat conditiones belli, quas prior ipse statuens mandarat.«

3 Abgedruckt nach der Handschrift der Vaticana von Mac Swiney (a. a. O., p. 3i, mit einem sinnstörenden Fehler:
statt .»imperium« muss es »Imperatori« heissen); fehlt in Paridis de Grassis Diario di Papa Leone X., ed. Armellini, Roma
(Cuggioni) 1884.
 
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