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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Egger, Hermann: Entwürfe Baldassare Peruzzis für den Einzug Karls V. in Rom: Eine Studie zur Frage über die Echtheit des sienesischen Skizzenbuches
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0009
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Entwürfe Baldassarc Peruzzis für den Einzug Karls V. in Rom.

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sondern frei aus dem Gedächtnisse gezeichnet wurde, so entfällt auch dieser Einwand, da eine Ver-
wechslung mit dem runden Unterbaue und der ganz ähnlichen Situation an der »Porta Ostiensis«
(S. Paolo) immerhin sehr leicht möglich war. Es sollte also die schmucklose Aussenseite der Porta
S. Sebastiano und die umgebende Quadermauer mit einer prunkvollen Gelegenheitsarchitektur, welche
man sich natürlich nur aus Holz
(»di legname«) zu denken hätte, ge-
schmückt werden. Eine Veranlassung
hiezu konnte doch wohl nur der feier-
liche Empfang eines von Süden heran-
ziehenden Fürsten oder Feldherrn
bieten. Während nun der Einzug
Karls VIII. am 3i. December i4g3 um
2 Uhr nachts gar nicht in Betracht
kommen kann, sind im XVI. Jahr-
hundert Karl V. am 5. April 1536
und Marc Antonio Colonna am 4. De-
cember 1571 durch die Porta Capena
in die ewige Stadt eingezogen. Da
uns aber in den zeitgenössischen An-
gaben über des letzteren Empfang nur
von einer dem Geschmacke jener Zeit
entsprechenden und jedes architek-
tonischen Gerüstes entbehrenden De-
coration berichtet wird, erübrigt nur
der Einzug Karls V. Bei diesem hatte
die Porta Capena nach den uns vor-
liegenden Schilderungen und Verrech-
nungen ausser den Fresken des Bat-
tista Franco,2 welche Romulus, begleitet von Numa Pompilius und Tullus Hostilius, zwischen dem
kaiserlichen und dem päpstlichen Wappen und an den Thürmen die Triumphe des Scipio maior und
minor darstellten, noch »ornamenti di verzura« erhalten, für welche einem »prete Mastrolo« 3 50 Ducaten
ausbezahlt wurden; in dem durchlaufenden Friese waren vergoldete Adler, Festons etc., im Mittelfelde
die Inschrift: CAROLO • V - ROM • IMP- AVG • III • AFRICANO angebracht. Es muss also die Porta
Capena reichlicher mit Grünem, mit Blumenguirlanden etc. geschmückt gewesen sein, als es der
Decorationsentwurf des Skizzenbuches andeutet. Links von diesem befindet sich auf fol. 38 noch, in
grösserem Maassstabe gezeichnet, ein Portal mit geradem Sturze, dessen Schmuck mit Festons und
einem herabhängenden Medaillon wohl ebenfalls auf ein feierliches Ereignis zurückzuführen ist. Nun
weiss in der von E. Müntz4 publicierten Beschreibung der Mauern Roms der französische Anonymus5
von einem weiteren Thore zu berichten, welches anlässlich des Einzuges Karls V. eigens nur für die
Person des Kaisers ausgebrochen worden wäre; dasselbe, damals (zwischen 1574 und 1578) schon zu-
gemauert, lässt sich auch heute noch constatieren; es befindet sich etwa dreihundert Schritte westlich
von der Porta S. Sebastiano (gegen die Porta S. Paolo), mit einem einfachen Quaderbogen von

1 An dieser Stelle sei der Direction der Biblioteca comunale in Siena der ergebenste Dank ausgesprochen, dass sie in
zuvorkommendster Weise dem Verfasser die photographische Aufnahme sämmtlicher Blätter des Taccuino gestattete, ohne die
ja eine kritische Bearbeitung im fernen Norden unmöglich gewesen wäre.

2 B. Podestä, a. a. O., p. 310, und Vas.-Mil. VI, p. 572.

3 B. Podestä, a. a. O., p. 311.

4 Les antiquites de la ville de Romc, p. 97.

5 Vielleicht inspiriert durch die Tradition, dass Karl V. allein, nur von Einem der Conservatoren begleitet, unter dem
Bogen des Septimius Severus hindurchgeritten war.

Fig. 2. Taccuino di B. Peruzzi, fol. 38 (Ausschnitt).1
 
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