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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Egger, Hermann: Entwürfe Baldassare Peruzzis für den Einzug Karls V. in Rom: Eine Studie zur Frage über die Echtheit des sienesischen Skizzenbuches
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0020
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Hermann Egger.

gedient, welcher in der Reihenfolge der Studien für den Umbau und die erweiternde Ausgestaltung
dieser 1225 gothisch begonnenen Kirche einerseits Uff. n. 457 (Fig. 14) und n. 545 gefolgt, andererseits
Uff. n. 338 vorangegangen sein muss. Denn besonders Uff. n. 457 differiert von dem Grundrisse von
fol. 37' nur in ganz unbedeutenden Abweichungen in den Maassangaben und dadurch, dass die Lage
der Kapelle der heiligen Katbarina noch nicht angedeutet, während sie an dem schon detaillierteren
Grundrisse von Uff. n. 338 in die Axe einer Gurte gerückt ist; den beiden ersteren Plänen sind ausser-
dem die drei Kreuzgewölbe gemeinsam, während auf Uff. n. 338 das Langhaus mit drei Flachkuppeln
gedeckt ist.1 So hat ferner dem Pyramidenaufbau von fol. 23v ebenfalls eine Originalstudie Baldassares
als Vorlage gedient. Auf der Plattform eines dem Janus quadrifons ähnlichen Baues ruht, umgeben
von vier Pyramiden auf Sockeln, ein übereck gestellter Würfel, auf dessen Plattform sich dieses System
ein zweitesmal in kleinerem Maassstabe wiederholt; auf einem Studienblatte über Spello und Spoleto in
den Uffizien (Uff. n. 634) befinden sich nun zwei ganz ähnliche Pyramidenaufbaue von Baldassares
Hand, welche unser Anonymus A gesehen und benützt haben muss, da besonders der Grundriss der
einen Lösung von Uff. n. 634 auf fol. 26 des Taccuino getreulich copiert ist. Weiter geht auch die
Altarnische von fol. 23" auf ein Project Baldassare Peruzzis zurück, wenn es auch dahingestellt bleiben
muss, ob das Original für die Capella Ponzetti in S. Maria della Pace bestimmt gewesen war, wie

A. Weese2 angenommen hat; denn zu einer unanfechtbaren Folgerung berechtigt diese kleine, flüchtige
Skizze von fol. 23v keineswegs, umsoweniger, als Baldassare an einer Nische die Dreitheilung der Rück-
wand mit Vorliebe anwendet, so auch in seinem Entwürfe für die Ausschmückung der Chornische3 des
Domes von Siena (Albertina S. R. n. 1294); das Fortklingen der Wandtheilung in der abschliessenden
Halbkuppel ist endlich auch kein zwingender Beweis für die Capella Ponzetti, da dieses Motiv ebenso
schon in der Apsis von S. Onofrio wie in der Kapelle der Villa Bekaro angewendet ist.

So ergeben sich auch sämmtliche auf St. Peter in Rom und auf das Castell von Caprarola bezüg-
lichen Studien des Skizzenbuches im weiteren Verlaufe der Untersuchung (s. Anhang) als zweifellose
Copien nach Originalzeichnungen Baldassare Peruzzis. Fassen wir aber nun unsere fünfzehn im Eingang
besprochenen und mit dem Einzug Karls V. in Verbindung gebrachten Entwürfe noch einmal ins Auge,
so lässt die vergleichende Betrachtung ihrer Architektur in ganz augenfälliger Weise erkennen, dass sie
ebenso im Geiste der Peruzzi'schen gezeichnet sind und mit den anderen, schon als Copien nach Baldas-
sare erkannten Architekturskizzen eine so identische Formenwelt gemeinsam haben, dass man sie füg-
lich auch als Copien nach Originalentwürfen Peruzzis bezeichnen kann.5 Abgesehen davon, dass das
sienesische Skizzenbuch uns eine so grosse Anzahl verlorengegangener Entwürfe in Copien bewahrt,
welche in dem als Anhang gebrachten kritischen Inventar ihre Würdigung finden sollen, liefert es uns
also, wenn auch auf indirectem Wege, den Beweis, dass Baldassare Peruzzi in seinen letzten Lebens-
tagen mit den Vorbereitungen für den Festapparat anlässlich des Einzuges Karls V. in Rom beschäftigt
gewesen sein muss.

Ist nun für sämmtliche architektonischen Skizzen die Autorschaft Baldassare Peruzzis widerlegt und
ausgeschlossen, so gilt dieses Resultat natürlich ebenso auch für die figuralen Zeichnungen des Skizzen-
buches, deren Zusammenhang mit ersteren sowohl der identische Charakter der Schriftzüge (auf fol. 8V,
9V, 17', i8v und besonders auf fol. 20) als auch die in einzelnen architektonischen Blättern zerstreuten

1 In der Sammlung architektonischer Handzeichnungen in den Uffizien befinden sich folgende 12 Blätter mit Entwürfen

B. Peruzzis für den Umbau von S. Domenico: Uff. n. 149, 338—345, 457, 545 und 1575.

2 A. a. O., S. 79.

3 H. v. Geymüller, Architektur der Renaissance in Toscana, B. Peruzzi, Bl. I.

4 F. Wickhoff, Italienische Handzeichnungen der Albertina, im XIII. Bande dieses Jahrbuches, S. CXCI.

5 In letzter Stunde hatte ich noch durch die gütige Vermittlung Dr. Friedrich Dörnhöffers Gelegenheit, Einsicht in den
Cod. 10.935 (Philos. 198) der k. k. Hofbibliothek in Wien nehmen zu können, in welchem auf fol. 24—27 T und 7iv zahl-
reiche Grundrisse B. Peruzzis (so der Kapellen von fol. 25 und 26) sorgfältig copiert und ferner auf fol. l36T (Fig. 26) und
I40T (141) (Fig. 23) zwei Zeichnungen aufgeklebt sind, von denen die erste unzweifelhaft als ein Originalentwurf Baldassares
für das Castell von Caprarola anzusehen ist, während bei der zweiten, einer Triumphbogenstudie mit bekrönender Pigna wie
auf fol. 25T des Taccuino, die Frage, ob Original oder nur Copie, infolge des Mangels jeglicher Schriftzüge leider offen
bleiben muss.
 
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