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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0077
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Fig. I. Jan van Scorel, Die Haarlemer Jerusalemfahrer.
Haarlem, städtisches Museum.

DAS HOLLÄNDISCHE GRUPPENPORTRÄT.

Von

Alois Riegl.

r heute die alten holländischen Städte bereist, dem fallen namentlich in den
Museen, aber auch in Rathhäusern, Spitälern, Armen- und Gildenhäusern öfter
Bilder von gewaltigen Dimensionen auf, wie er sie sonst nirgends zu sehen ge-
wöhnt ist — Bilder mit zahlreichen, meist lebensgrossen Ganz- oder Halbfiguren,
die entweder ohne jede Wechselbeziehung oder nur in loser Verbindung neben-
einandergestellt sind, so dass der Beschauer über ihre porträthafte Bedeutung kaum
jemals im Zweifel bleibt. Aber schon innerhalb des Landes sind diese Gruppen-
porträte, wie man sie gewöhnlich zu bezeichnen pflegt, und die fast sämmtlich aus dem XVI. und
XVII. Jahrhundert stammen, keineswegs über alle Provinzen gleichmässig verbreitet. Bios in Nord- und
Südholland, an den Hauptsitzen der national-holländischen Malerei, sind sie so recht zu Hause, vor Allem
in Amsterdam und in zweiter Linie in Haarlem; und auch andere Städte setzten hier eine Ehre darein,
ihre Bürger corporationsweise conterfeit zu sehen: so nebst Haag, Delft und Leyden selbst so kleine
Orte wie Gouda, Alkmaar, Hoorn. Dagegen trifft man solche Bilder in den übrigen Provinzen der vor-
maligen Generalstaaten nur als vereinzelte, versprengte Ausnahmen und vollends ausserhalb des Landes
fehlt das Gruppenporträt so gut wie gänzlich. Selbst in den benachbarten südlichen Niederlanden, die
doch bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts mit Holland in allen culturellen Dingen eine Einheit gebildet
hatten, ist es niemals zu einer wirklichen Gruppenporträtmalerei gekommen und auch in der alten
holländischen Kunststadt Utrecht, die allezeit gewissermaassen das Bindeglied mit den flämisch-braban-
tischen Städten bildete, hat sie trotz vereinzelter Anläufe nicht recht Fuss fassen können.

Ebenso wie die Herstellung der Gruppenporträte durch die Maler, war auch das Interesse des
Publicums an denselben von Anbeginn auf Holland beschränkt. Während holländische Einzelporträte
und Landschaften, Genrebilder und Stilleben im XVIII. und XIX. Jahrhundert in solchen Massen vom
Ausland angekauft wurden, dass heute viele holländische Meister in ihrem Heimatslande gar nicht
studiert werden können, sind die Gruppenporträte mit verschwindenden Ausnahmen an Ort und Stelle
verblieben, was allein durch den Umstand, dass die meisten davon sich nicht im Besitze von Privaten
sondern von Corporationen befanden, nicht hinreichend erklärt wird. Das Ausland hat vielmehr diese

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