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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0083
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Das holländische Gruppenporträt.

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Fig. 3. Gruppe der fünf Johanniter aus Geertgens Bilde, Taf. VII.

Aber auch die Bedingung, dass es sich um eine Corporation zur Durchführung temporärer, irdischer
und gemeinnütziger Zwecke handeln müsse, trifft hier nicht zu; denn noch viel einseitiger als jene
Spitalvorsteher von Brügge, hatten diese Johanniter bei ihrer Vereinigung blos die Erlangung der
ewigen Seligkeit im Auge, die sie ja nur jeder für sich allein und nicht auch für ihre übrigen Mitbürger
erwerben konnten. Dieses Gruppenbild hängt somit nicht allein äusserlich sondern auch in seiner inner-
sten Auffassung noch aufs Engste mit dem religiösen Historienbild zusammen. Nur soferne wir da
eine Mehrzahl von Porträtköpfen in einer Gruppe bei einander vor uns haben, wird man das Bild
immerhin als eine Vorstufe des Gruppenporträts bezeichnen dürfen. Wir haben uns also jetzt darüber
Gewissheit zu verschaffen, ob Geertgen, der nach van Manders Erzählung mit den Johannitern der
Haarlemer Commende in enger Gemeinschaft lebte, hier in der That lebendige Individuen conterfeit hat.

Schon die Vergleichung mit den Figuren der untersten Scene ergibt für die Beantwortung dieser
Frage bemerkenswerthe Anhaltspunkte. Die Köpfe der letzteren zeigen verhältnismässig sehr reiche
Abwechslung in allen äusseren Merkmalen: in Haar- und Barttracht, Wendungen und Bedeckungen
und selbst in den Mienen. Hat man sie durchgemustert, so hat man sich jeden Kopf gemerkt; denn
jeder bietet selbst schon auf den ersten oberflächlichen Blick seinen Nachbarn gegenüber etwas absolut
Charakteristisches. Lässt man unmittelbar darauf den Blick auf jene Zwölf fallen, so frappiert zunächst
ihre anscheinende Uniformität: die Gewandtracht bei allen absolut oder doch annähernd gleich, die
Köpfe bis auf einen bartlos, auch in den Typen so verwandt, wie dies eben innerhalb eines bestimmten
Volksstammes nothwendige Regel ist, und selbst in den Wendungen ohne Abwechslung. Und dennoch
ist jeder dieser Köpfe in so individueller Weise behandelt, dass er mit keinem der übrigen verwechselt
werden kann! Warum hätte sich der Meister gerade an diesen zwölf Köpfen die Aufgabe der Differen-
zierung so sehr erschwert, wenn er nicht eine zwingende Veranlassung dazu gehabt hätte.-' Und diese
kann doch keine andere gewesen sein als das Gebundensein an bestimmte lebende Individuen als Vor-
bilder.

Der Beweis dafür lässt sich aber noch weiter, bis zur Evidenz erbringen. Es wurde schon gesagt,
dass von den Zwölfen am Sarge (Fig. 2) blos fünf durch das Kreuz am Mantel und überhaupt durch fast
genau uniforme Tracht als Johanniter gekennzeichnet erscheinen; ob in den übrigen Sieben Laienbrüder
zu erkennen seien, mögen Localgeschichtskundige entscheiden, denen ich auch die Feststellung näherer
Daten über die dargestellte Begebenheit überlassen muss. Die genannten Fünf kehren nun, wie ebenfalls
 
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