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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0096
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Alois Riegl.

gleichmässig dieselben Functionen ausüben und keiner einen Vorrang vor den Uebrigen behauptet, ist
die italienische Subordination vermieden und die Coordination festgehalten, die jeden einzelnen Por-
trätierten zu seinem gleichen und ungeschmälerten Rechte gelangen lässt. Es gibt zwar ältere und
jüngere Brüder darunter und die Verschiedenheit der Costüme lässt ebenfalls auf eine gewisse Rang-
abstufung schliessen; aber vor der Handlung sind sie alle gleich, so dass weder Commandanten noch
Subalterne zu unterscheiden sind. Neu und wichtig sind ferner die Versuche, Symbole an Stelle der
Handlung zum vereinheitlichenden Mittel der Auffassung zu erheben.

Die Composition ist im Grunde identisch mit derjenigen in Geertgens Johannitergruppe, aber
fast mit architektonischer Strenge durchgeführt, und dies mochte Justi hauptsächlich zu seinem un-
günstigen Urtheile über das Bild veranlasst haben. Wir haben da zwölf verticale Axen zwischen zwei
Horizontale gespannt; die mit decorativer Regelmässigkeit vertheilten Wappen und die parallelen Palm-
wedel verstärken noch den Eindruck objectiver Gesetzlichkeit. Die gesteigerte Beweglichkeit nach
der einen Seite glaubte der Meister vielleicht durch einen um so starreren Zwang nach der anderen
wettmachen zu sollen. Die Köpfe entwickeln verhältnismässig wenig Relief, die hinteren sind in der
Erscheinung nicht wesentlich gegenüber den vorderen zurückgedrängt, aber die Deckung reicht zur
Klarstellung des tiefräumlichen Verhältnisses vollständig aus. Die Figuren sind gedrängt, wodurch der
Mangel an Luft dazwischen für moderne Augen bis zu einem gewissen Grade verwischt wird; da für
Luft überhaupt kein Platz ist, bemerkt man auch nicht, dass der Maler noch keine solche malen konnte
oder richtiger nicht malen wollte. Dieses reihenweise Marschieren mit einzelnen zurückblickenden
Figuren hat seine nächsten Parallelen in den Opferzügen der früheren römischen Kaiserzeit, etwa der
Ära pacis Augustae, womit diese werdende niederländische Kunst, die der Aufmerksamkeit noch immer
einen mehr allgemeinen als individualisierten und localisierten Ausdruck gab, noch manche andere
Züge gemein hat.

Jan van Scoreis Von den Utrechter Bildern ist das älteste wohl dasjenige mit zwölf Pilgern, die ihre Reise

dlepOTträteCn" zwischen den Jahren 1520 und 1524 zurückgelegt haben (Fig. 4 und 5); es ergibt sich dies nicht allein
der utrechter aus den genannten Daten sondern auch namentlich aus der stilistischen Behandlung der Köpfe, wovon

Jerusalemfahrer. , . . .

noch die Rede sein wird.

Die Auffassung dieses Bildes ist mit derjenigen des Haarlemer Gruppenporträts im Grunde die
gleiche: eine Doppelreihe palmentragender Halbfiguren, die sämmtlicb nach einer Seite hin gewandt
sind; aber von einer Procession wird man diesmal kaum mehr reden können. Es fehlt nicht allein das
Ziel: die Grabeskirche in effigie, sondern vor allem ist die Bewegung unterdrückt. Die Figuren, die
man überhaupt nun eher als Brustbilder denn als Halbfiguren bezeichnen möchte, wenden dem
Beschauer nicht mehr blos die linke Schulter sondern nahezu en face die volle Brust zu, ja einzelne
 
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