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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0105
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Das holländische Gruppenporträt.

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schauer (abgebildet im Guide dans Bruges du touriste amateur d'art 1900). Nächstverwandt mit den
besprochenen venezianischen Bildern des Tintoretto sind hingegen die beiden Gruppenbilder in der
Confrerie du St. Sang daselbst, die im Catalogue sommaire der Brügger Ausstellung vom Jahre 1902
unter Nr. 365 un<^ 366 als Werke eines Pourbus (welches?) verzeichnet stehen; denn die Porträtgruppen
sind diesmal vom Cultusbilde losgelöst und zeigen die einzelnen Mitglieder mit gefalteten Händen
betend und dabei zugleich nach dem Beschauer herausblickend.

Erste Periode der holländischen Gruppenporträtmalerei (1529 —1566).

Eine Corporation, wie sie das holländische
Gruppenporträt forderte, — also eine Corpora-
tion, deren einzelne Mitglieder zu Gunsten eines
gemeinsam zu erreichenden, praktisch-irdischen
und dabei gemeinnützigen Zweckes ein Stück
ihrer Individualität und ihres Selbstbestimmungs-
rechtes preisgaben, — waren weder der Orden
der Johanniter noch jener der Brüder vom
heiligen Grabe, überhaupt kein geistlicher Or-
den, dessen Zwecke, mögen sie auch die höch-
sten sein, stets egoistische, weil auf die Erlö-
sung und das Heil des einzelnen Mitgliedes be-
schränkte, bleiben müssen, sondern in ältester
Zeit die Schützengilden. Zwar waren auch sie
ursprünglich auf religiöser Grundlage errichtet
und das von ihnen eifrig betriebene Papageien-
schiessen lässt einen zweiten egoistischen Zweck,
denjenigen des Vergnügens, erkennen. Damit
verbanden sie aber doch den Gedanken gemein-
samer Abwehr der Feinde der Bürgerschaft und
auf dieser Grundlage Hess sich schon ein echtes
und wirkliches Gruppenporträt begründen. Aller-
dings bewahrte dasselbe, wie sich zeigen wird,
noch während der ganzen ersten Periode ge-
wisse Züge des älteren geistlichen Corporations-
porträts, die es sogar jetzt erst recht ausgebildet und nicht früher eingebüsst hat, als mit Beginn der
zweiten Periode der Zusammenhang der Schützengesellschaften mit den alten, unter dem Patronate
von Heiligen gestandenen Doelen bis auf den Namen vollständig verloren gegangen war. Die Werke
dieser ersten Periode zeigen somit einen Uebergangscharakter, der von der Cultuskunst des XV. zur
Profankunst des XVII. Jahrhunderts überleitet und sich auch darin ausspricht, dass diejenigen Gattun-
gen des Gruppenporträts, die von Haus aus rein weltlichen Charakters waren, — die sogenannten Ana-
tomien und die Regentenstücke — während derselben noch nicht nachzuweisen sind. Was diese
Periode an Gruppenporträten hervorgebracht hat, sind ausschliesslich Schützenstücke aus den drei
Amsterdamer Gilden: dem Kloveniers-(Büchsenschützen), Voetboogs- (Armbrustschützen) und Hand-
boogs- (Bogenschützen) Doelen.

Als das älteste Schützenstück gilt heute wohl mit Recht dasjenige des Dirk Jacobsz im Rijks-
museum Nr. 719, das die Jahreszahl 1529 trägt und aus dem Kloveniersdoelen stammt. Es besteht aus
einem breiten Mittelstück (Fig. 14) und zwei schmäleren Flügeln (Fig. 21 und 22); von den letzteren
vcrmuthet man jedoch, dass sie erst später zum Mittelstück hinzugefügt worden seien, und da hiefür

Fig. 13. Männliches Bildnis von Dirk Jacobsz.
Wien. Kaiserliches Hofmuseum.

Das
Schiitzcnstück
des Dirk Jacobsz
vom Jahre 1529.
 
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