Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0113
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Fig. 15. Schützenstück eines unbekannten Meisters vom Jahre 1531.
Amsterdam, Rijksmuscum.

die übrigen vierzehn Theilnehmer dabei ähnlich wie in Geertgens Johanniterbild stumm und passiv
assistieren. In dieser Vermuthung werden wir vollends bestärkt durch die Spruchzettel. Derjenige
rechts enthält ein lateinisches Citat aus Seneca mit der beigesetzten Jahreszahl 1531, der links befind-
liche eine holländische Uebersetzung jenes Spruches mit dem Wortlaut: »Wij zijn door deezen plech-
tighen eed verbonden de wereldsche zaken gheduldig te verdraaghen en ons niet te laaten beroeren
door die zaaken die wij niet in onse macht hebben om te vermijden.« Daraus ergibt sich mit Sicher-
heit, dass die siebzehn Gestalten durch Eid zu einer Vereinigung verbunden sind, dass dieser Eid mit
seiner Anspielung auf das Verhältnis zu dem unabwendbaren Schicksale noch eine religiöse Grundlage
verräth, worauf auch die Erscheinung der beiden Engel rechts oben in der Ecke hinweist, und dass die
Actionen der drei genannten Figuren mit dieser Eidesverpflichtung zusammenhängen. Es frägt sich
nur, ob wir da wirklich wie einst bei Geertgen und bei Scorel einen einzelnen historischen Moment,
etWa die Beeidigung eines neu Aufgenommenen, oder aber eine rein symbolische Anspielung von
der Art, wie sie der Auffassung des Schützenstückes von Dirk Jacobsz zu Grunde lagen, vor Augen
haben. Bemerkt man, dass die beiden Schützen, die einander die Hände auflegen, dabei nicht auf ihr
agierendes Gegenüber sondern auf den Beschauer blicken, dass ferner auch jener Dritte, obzwar im
Profil dargestellt, nicht die zwei Genannten fixiert sondern den Blick aufwärts nach einer Richtung
sendet, wo gar keine Genossen zu suchen sind, so wird man zu der Ueberzeugung gebracht, dass auch
dieser Meister die psychische Vereinheitlichung der siebzehn Porträtfiguren durch einen objectiven Sym-
bolismus angestrebt hat, der nur deshalb hinter demjenigen des Bildes von 1529 zurückbleibt, weil die
Zahl der symbolischen Bezüge hier wieder wie bei Scorel wesentlich auf einen einzigen beschränkt
erscheint. Minder fällt der Umstand ins Gewicht, dass die Figuren zum grösseren Theile nicht gegen
den (vervielfältigt zu denkenden) Beschauer heraus sondern gegen die Bildmitte vor sich hinblicken;
denn auch von diesen nimmt nicht ein Einziger ein Interesse an der Eideshandlung selbst. Wir ge-
winnen daraus das Bild eines Meisters, der, hinter der Zeit etwas zurückgeblieben, das neue Problem
der reinen Gruppenporträtmalerei noch unter möglichster Anlehnung an die historienhafte Auffassung
des Mittelalters lösen wollte, aber der Tendenz auf gesteigerten Symbolismus sich doch nicht zu ent-
 
Annotationen