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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0117
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Das holländische Gruppenporträt.

I I I

Fig. 16. Schützenstück des Gornelis Teunissen vom Jahre 1533.
Amsterdam, Rathhaus.

das fehlende Centrum markierten, wurde 1533 nicht angestrebt; denn nicht allein die Figuren gegen
die Mitte hin lenken ihre Aufmerksamkeit zum Theil nach excentrischen Richtungen sondern selbst
von den aussersten Figuren an den Schmalseiten, die als einrahmend das Bild nach aussen abschliessen
sollen, wendet sich mindestens eine (links unten) in ganz auffallender Weise zurück aus dem Bilde
heraus, was eine höchst bemerkenswerthe Durchbrechung des Objectivismus bedeutet. Die stehende
Reihe von Figuren endlich zeigt darin Symmetrie, dass die beiden aussersten Figuren rechts und links
gleichmässig niedriger sind und von ihnen aus beiderseits eine ansteigende Linie gegen die Mitte hin
beginnt; aber gerade diese Mitte ist hier sehr undeutlich ausgesprochen. Es muss im höchsten Maasse
auffallen, dass die linke Hälfte dieser Schützen gegen die Mitte hin ganz abweichend von der rechten
gebildet ist und dass das Fenster an der Abschlusswand nicht in die Mitte gesetzt sondern eben etwas
nach links gerückt erscheint. Dadurch wird die Aufmerksamkeit des Beschauers unwillkürlich nach
links gelenkt; er empfindet, dass der Schwerpunkt des Gesammtbildes in der linken Hälfte ruht, und
trachtet sich darüber genauere Rechenschaft zu geben. Eine nähere Untersuchung lehrt dann sofort,
dass der Meister von der bewussten Absicht geleitet gewesen ist, das Bild nicht objectiv-centralistisch
dem Beschauer gegenüberzustellen sondern diesen zu zwingen, dass er subjectiv von links her das Bild
ins Auge fasse.

Diese Tendenz beginnt schon in den untersten Partien. Wir haben bereits gesehen, dass die Eck-
%ur links sich durch ihr Heraus- und Zurückblicken auffallend bemerkbar macht, namentlich wenn
man damit die gleichgiltigen Profilköpfe an der gegenüberliegenden Schmalseite vergleicht; ganz ent-
scheidend ist aber die Projection des Tisches, die durch das weisse Tischtuch recht augenfällig gemacht
lst: seine Schmalseiten divergieren nicht unter dem gleichen stumpfen Winkel gegen den Beschauer
sondern die linke verläuft annähernd unter geradem Winkel, so dass sie nahezu mit der Blickrichtung
des Beschauers zusammenfällt, während die rechte allerdings mit der Vorderkante des Tisches einen
spitzen Winkel bildet. Damit ist unzweideutig gesagt, dass ein betrachtendes Subject vorausgesetzt

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