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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0122
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I 16 Alois Riegl.

drastisch wirkende, recht sinnfällige Mittel, die naturgemäss nur an den körperlichen Figuren zur
Geltung gebracht werden können, zu erreichen suchte: also durch gehäufte Deckungen (später auch
Verkürzungen), durch lebhafte Körperwendungen, körperliche Raumcentren. Damit wird aber der
Porträthaftigkeit geschadet und so versteht man, dass die Porträtmalerei nur zögernd auf den all-
gemeinen Zug des damaligen Kunstwollens eingehen konnte. Wer zwischen retardierendem Objectivis-
mus und vorwärtsdrängendem Subjectivismus die richtige Mitte einzuhalten wusste, war der richtige
Porträtmaler der Zeit: und als solchen haben wir nach allem Gesagten selbst vom Standpunkte unseres
modernen Geschmackes nur Dirk Jacobsz anzuerkennen. Dass aber auch das damalige Amsterdam das
gleiche Urtheil gefällt hat, ergibt sich daraus, dass von den zwei datierten Amsterdamer Schützenstücken,
die uns nach meiner Kenntnis ausser den schon genannten noch aus der ersten Periode der Gruppen-
porträtmalerei erhalten sind, eines zweifellos von Dirk Jacobsz stammt, das andere ihm mindestens ganz
nahe steht. Wir sehen somit innerhalb der fünf Jahre 1529—1534 dreimal die Auffassung des Dirk
Jacobsz wiederkehren, was wohl zum Beweise genügt, dass seine Lösung des neuen Problems vom Publi-
cum als die entsprechendste befunden worden ist. Vorgreifend will ich gleich hinzufügen, dass selbst
noch in den Fünfzigerjahren die Lösung dieses Meisters vom Jahre 1529 ihre Anhänger gefunden hat.
Das Mit der Signatur des Dirk Jacobsz und der Jahreszahl 1532 versehen ist ein Gruppenbild von sieb-

desükkTacobsz zenn Schützen der Kloveniersgilde (Fig. 17), das auf unaufgeklärte Weise (nebst einem späteren, noch zu
vom Jahre 1532. besprechenden Bilde des gleichen Meisters) in die St. Petersburger Ermitage gelangt ist und erst vor
wenigen Jahren durch Dr. J. Six bekannt gemacht wurde.1 Diesmal sind die Schützen nicht in einen
Innenraum sondern ins Freie gestellt, wodurch das Bild doppeltes Interesse gewinnt, weil wir daraus
ersehen, wie der Meister sich mit einer solchen Aufgabe abgefunden hat, ohne den uns schon bekannten
Charakter seiner Raumbehandlung preiszugeben.

Die Auffassung vor Allem ist noch immer genau diejenige von 1529. Noch immer nichts von
einer einheitlichen Handlung, weder von historischer noch von genrehafter Bedeutung: symbolische
Fingerzeige und Handauflegen verkünden allein die Zusammengehörigkeit. In diesen symbolischen
Actionen ist sogar eher eine Minderung eingetreten, die aber vermuthlich durch den rein äusseren
Umstand veranlasst sein mochte, dass infolge des durch die Aufstellung im Freien bedingten Hinweg-
falles der Schranken die Figuren nun dichter hintereinander postiert werden mussten und ein Theil
der Hände bei den Gliedern der zwei hinteren von den drei Reihen nicht mehr produciert werden
konnte, wenn man sie nicht in allzu auffallender Weise (wie bei dem Manne nächst dem Rande rechts
in der Mitte) über den Kopf des Vordermannes auftauchen lassen wollte. Der Mann, der die Feder
vorzeigt, fehlt diesmal; an seiner Stelle erscheint ein Anderer, der ein Blatt (mit Schrift oder Sing-
noten?) vor sich hält, freilich ohne hineinzuschauen. Einen Versuch auf Vereinheitlichung durch Sub-
ordination könnte man allerdings darin erblicken, dass ein Schütze, genau in der Mitte des Bildes, im
Harnisch abgebildet ist, während alle Anderen Civilkleidung tragen; ausserdem hält er seine Büchse
nicht blos wie einige Andere mit einer Hand bei Fuss sondern ladet sie mit der anderen mittels des
Ladstocks. Dr. Six erklärt diese Figur auch ohne Weiteres für den Capitän. Anderseits erscheint aber
diese Figur auffallend zwischen die übrigen eingeklemmt und ihr Kopf viel kleiner gebildet als selbst
diejenigen der hintersten Reihe, wodurch die Bedeutung dieser mehrfach ausgezeichneten Figur offen-
bar auf das gleiche Niveau mit den übrigen herabgedrückt werden sollte; denn das Gruppenporträt
verlangte damals eben noch strenge Coordination. Noch ein zweiter Schütze ist von den übrigen
unterschieden: es ist dies der breitspurig hingestellte rechts von der Mitte unten. Erstens trägt er auf
dem Mantel ein kleines silbernes Abzeichen; ferner sind die Farben seines Costüms von den übrigen,
uniform roth-schwarzen, verschieden. Auch in diesem Manne werden wir eine Charge zu erblicken
haben. Er sollte wohl mit seinem ebenfalls etwas anspruchsvoller gebildeten Nachbarn zur Linken
dem Capitän dahinter wirksam die Wage halten. Der Blick fast Aller ist wiederum nach der Seite des
Beschauers, wenn auch nicht nach dem gleichen Punkte gerichtet; nur die zwei Schützen in den beiden

1 Oud Holland XIII, S. 91 ff.: Dr. J. Six, Twee Amsterdamsche Schutterstukken te St. Petersburg. Mit 2 Tafeln.
 
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