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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0133
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Das holländische Gruppenporträt.

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Fig. 20. Schützenstück eines unbekannten Meisters vom Jahre 1557.
Amsterdam, Rüksmuseum.

des Romanismus aufzufassen. Die ganze folgende Entwicklung wird lehren, dass es sich dabei, ähnlich
wie bei dem Eindringen der italienischen Bauveduten, nicht um eine willkürliche Modeneigung sondern
um einen inneren Zwang gehandelt hat. Ohne ein bestimmtes Maass von Subordination war eine
stärkere Vereinheitlichung, wie sie zunehmend gefordert wurde, auch im Gruppenporträt nicht zu er-
zielen; wir werden sie daher künftig immer wieder und mit immer stärkerer Betonung auftauchen und
die Maler parallel damit stets auf coordinative Gegenmittel sinnen sehen.

Was die einzelnen Köpfe betrifft, so hat der Maler offenbar grössere Abwechslung im Blick an-
gestrebt; denn er hat darin die ganze Scala vom weiten Oeffnen der Augen bis zum Zwinkern durch-
laufen. Auch die Bildung des Mundes mit dem Gemüthsausdruck des Blickes in Uebereinstimmung zu
bringen, hat er mehrfach versucht, wie z. B. die Figur rechts am Rande oben, mit dem offenen Munde
und zwinkernden Augen und diejenige darunter in der Ecke mit gepressten Lippen und weit aufblicken-
den Augen bezeugen. Lebhaftigkeit und Abwechslung des Blickes bedeuten aber eine Steigerung der
subjectiven Ausdrucksmittel, durch welche der Maler offenbar der in objectivistischem Sinne wirkenden
Gleichmässigkeit der Blickrichtungen entgegenwirken wollte; denn in letzterer Hinsicht ist er geradezu
archaischer als Dirk Jacobsz selbst: unten blicken alle concentrisch, während die Mittelfigur noch ge-
dämpft die schon von Teunissen 1533 verlassene dreifache Wendung (Rumpf nach links, Kopf nach
rechts, Blick geradeaus) vollzieht; oben blicken beiderseits je drei concentrisch und nur zwei befolgen
die entgegengesetzte Wendung, blicken aber ebenfalls gegen den Beschauer heraus. Also auch hier
können wir eine Steigerung der Gegensätze vermerken: wie die lebhaftere Symbolik durch Einführung
der Subordination, so wird die lebhaftere Blicksprache durch gleichmässigere Blickrichtung bekämpft.

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