Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0183
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das holländische Gruppenporträt.

177

Fig. 3j. Schützenstück des Frans Pietersz Grebber vom Jahre 1610.
Haarlem, städtisches Museum.

Gruppe auf der Estrade, genau oberhalb der vorher an dritter Stelle besprochenen, zu beobachten ist.
Einem ähnlichen Bedürfnisse, psychisch zusammengehörige Gruppen durch physische Einschübe zu
trennen, mögen ferner auch die Beziehungen zweier Figuren der linken Hälfte ihre Aufnahme ver-
danken, von denen eine, am linken Ende der Tafel aufgestandene, das Glas gegen die andere, sich mit
dem Ellbogen auffallend über die Estradenbrüstung herüberneigende wendet und ihr zuzutrinken scheint.
Es kann damit nichts Anderes beabsichtigt gewesen sein, als was schon Cornelisz in seinem Schützen-
stücke von 1599 versucht hatte: neben der Zersplitterung des Ganzen in einzelne coordinierte Genre-
gruppen zugleich ein bestimmtes Maass der vom holländischen Geiste geforderten äusseren Einheit des
Bildganzen herbeizuführen. Drei Personen sehen wir überhaupt nur ein einziges Mal zu einer psychischen
Gruppe vereinigt, und zwar in der Mitte der hinteren Langseite der Tafel, unter ersichtlicher Anlehnung
an die Verbrüderungsscene des Cornelis Cornelisz von 1583: alle drei machen sich mit einer grossen
Kanne zu schaffen, die der Eine mit beiden Händen schräg vor sich hält, während die zwei anderen mit
Zeigefingern darauf weisen; von diesen legt wieder der Zweite dem Dritten den Arm um die Schultern
und dieser blickt auf den Beschauer heraus, den er somit auf die Scene aufmerksam macht. Die Drei
sind sich also dessen bewusst, dass ihnen jemand ausserhalb des Bildes zuschaut, und sie suchen ihn
sogar m die Gruppe hineinzuziehen; dadurch leidet aber der innere Zusammenhang der genremässigen
Handlung (Verbrüderung), ohne gleichwohl durch die Einbeziehung des Beschauers einen einheitlichen
Abschluss zu erfahren. Das Problem, das, wie schon angedeutet wurde, die Entwicklung fürderhin in
Haarlem wie in Amsterdam durchaus beherrscht, — zwischen den Figuren des Gruppenporträts zugleich
sowohl einen geschlossenen inneren als auch einen den Beschauer umfassenden äusseren Zusammenhang
herzustellen — erscheint auch in diesem Bilde des Frans P. Grebber in origineller Weise in Angriff ge-
nommen aber zu keiner ausgleichenden Lösung gebracht. Gerade von diesem Punkte aus sieht man
klar, welche Aufgabe Frans Hals zu lösen hatte und wie unvollkommene Vorarbeiten er in dieser Hin-
sicht vorgefunden hat. Frans Grebber war gleichwohl ohne Zweifel einer der tüchtigsten Porträtmaler
seiner Zeit und zum Beweise dessen genügt es, blos die Köpfe unseres Hildes im Vordergrunde rechts
und auf der Estrade zu durchmustern.

In der Composition herrscht, wie schon erwähnt wurde, der Eindruck ebener Reihung; aber die
Reihen sind, wie schon 1583, weder von horizontalen Scheitellinien abgeschlossen noch aus verticalen
Elementen gebildet sondern die Scheitellinie ist in ziemlich regelmässigem Zickzack gebrochen und die
Axen der Köpfe und Rümpfe öfter schiefgestellt. Die Richtung ist dabei nicht mehr die einheitliche wie
bei Cornelisz selbst noch 1599, namentlich aber 1583, aber auch nicht wie bei den Italienern in der Weise
abwechselnd, dass daraus grosse Liniengegensätze resultieren, sondern eine möglichst oft und im Kleinen

24*
 
Annotationen