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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0191
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Das holländische Gruppenporträt.

I85

Fig. 09. Schützenstück eines unbekannten Meisters um 1620.
Amsterdam, Rijksmuseum.

Ferner erscheint in die Composition der Figuren, analog dem an der Auffassung Beobachteten,
zwar die subordinierende Symmetrie eingeführt aber zugleich die subordinierende Function der domi-
nierenden Figur wirksam abgeschwächt. Die Anordnung der Figuren ist nämlich eine überraschend sym-
metrische; aber in das Symmetriemittel fallen gerade jene drei Figuren, die etwas zurück in der Durch-
brechung stehen und daher schon in Folge ihrer kleineren Maasse nicht zur Beherrschung der Uebrigen
geeignet sind. Erst rechts von der Durchbrechung tritt der Capitän auf: eine gewaltige und ge-
bieterische Gestalt, mit dem Hut auf dem energischen Kopfe über die barhäuptigen Schützen hoch'
emporragend; aber als symmetrisches Gegenüber ist ihm doch ein Lieutenant beigegeben, ebenfalls
mit Hut bedeckt, von nicht minder stattlicher Figur und Haltung. Der Lieutenant tritt da neben seinen
Capitän wie etwa der Consul der republikanischen römischen Heeresverfassung neben seinen Collegen,
dem just an dem gegebenen Tage der Oberbefehl zukam.

Der Amsterdamer Meister, der zuerst in vollem Maasse dem Gruppenporträt seine in Raum Werner
und Zeit individualisierte äussere Einheit gegeben hat, heisst Werner van Valckert. Die Kunst- van ValcLe
geschichte weiss nicht viel von ihm zu erzählen; aber ob man nun auf die einzelnen Köpfe seiner
Gruppenbilder oder auf diese als Ganzes sieht: überall erscheint er als einer der Grössten seiner Zeit.
Zum Glücke hat er die Bilder, die hiebei in Betracht kommen, durchaus mit seinem vollen Namen
signiert. Das Rijksmuseum besitzt aber auch einige wirkliche historische Genrebilder — denn so muss
man sie wohl nennen — von seiner Hand, mit Waisenhausscenen; und da ist es im höchsten Maasse
erstaunlich zu sehen, wie sehr die Wirkung dieser Bilder von geschlossener innerer historischer
Einheit gegen diejenige seiner Gruppenporträte zurücksteht. Man sieht: nur in den Bildern porträt-
mässigen Inhalts, die den Beschauer unmittelbar in die Einheit einbeziehen, konnten diese Holländer
der zweiten Periode wahrhaft gross sein: alles Objectiv-historische war für sie ein Abweg, auf dem sie
die Italiener niemals zu erreichen vermochten.

Das früheste datierte Regentenstück des Meisters von 1622 im Rijksmuseum war in den letzten
Jahren nicht ausgestellt und ist mir darum leider unbekannt geblieben; es wäre interessant zu erfahren,
wieweit dasselbe den Meister bereits im Anlaufe zu der von ihm später gefundenen Lösung zeigt.
Vollkommen erreicht hatte er sie im Jahre 1624; denn aus diesem Jahre stammen zwei Regentenstücke,
die beide in übereinstimmender Weise den Beweis dafür erbringen. Das eine stellt die Regenten, das
andere die Regentinnen des Aussätzigenspitals dar.

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