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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0195
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Das holländische Gruppenporträt.

189

Fig. 41. Compagnie des Capitäns Albert Coenrat Burgh und des Lieutenants Pieter Evertsz, von Werner van Valckert, 1625.

Amsterdam, Rijksmuscum.

Die wichtigsten Neuerungen dieses Schützenstückes, soweit die Auffassung in Frage kommt, sind
somit: erstens die LocaJisierung (und damit zugleich Momentanisierung) der Aufmerksamkeit des Be-
schauers auf einen ganz bestimmten concreten Gegenstand (den Zettel) und zweitens der gegenseitige
Wechselverkehr, in welchen nun wenigstens zwei Personen im Bilde — der Capitän und der ihm den
Zettel überreichende Schütze —■ gebracht sind, indem der letztere nicht, wie dies unfehlbar früher ge-
schehen wäre, nach dem Beschauer oder sonstwohin sondern nach dem Capitän, dem Zielpunkte seiner
Action, blickt und umgekehrt der Capitän wenigstens die linke Hand nach dem Schützen ausstreckt.
Damit war zum ersten Male in die starre Scheu der Amsterdamer Auffassung vor einem geschlossenen
inneren genremässigen Verkehr im Bilde selbst auf Grundlage der Subordination Bresche gelegt (denn
bei Cornelis van der Voort war es im Jahre 1618 bei einem ersten, schüchternen Anlaufe unter Fest-
halten an der Coordination geblieben) und eine principielle Annäherung an das Haarlemer System voll-
zogen; aber wenn man sieht, wie dieser Wechselverkehr im vorliegenden Falle durch den Capitän
doch wieder in einen Verkehr mit dem Beschauer umgesetzt wird, erkennt man, wie der Meister sich
gleichzeitig um eine Rechtfertigung für sein an sich unerhörtes Vorgehen bemüht hat.

Was den Charakter der Aufmerksamkeit in den einzelnen Köpfen selbst betrifft, so steht derselbe
hinter dem am Regentenstück beobachteten kaum zurück. Namentlich die Köpfe der drei rechts in
einer Reihe Aufmarschierten, ferner des Mannes links vom Fahnenträger müssen Jedermann, der das
Bild geschaut hat, unvergesslich bleiben.

Das Relief in den Köpfen hat an Härte der Ausladungen gegenüber demjenigen, das wir im Bilde
von 1624 beobachten konnten, eher noch zugenommen; ferner haben diesmal zwei Raumcentren —
links das Tischchen, rechts der den Zettel überreichende Schütze — an Stelle des früheren einzigen Auf-
nahme gefunden. Zur Bändigung dieser Raumbewegungen zeigt aber die Composition eine horizontale
Scheitellinie der Köpfe und damit einen Zwang in die Ebene durchgeführt, wozu auch die Betonung des
Symmetriemittels durch den Fahnenjunker und die dadurch bewirkte Zweitheilung der Gesammtgruppe
nicht unwesentlich beiträgt. Völlig neu ist nun die Darstellung der Reihe von drei Schützen rechts am
 
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