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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0234
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228

Alois Riegl.

Fig. 52. Rembrandt, Die Beschneidung. Radierung, datiert 1654 (B. 47).

Albertina.

sich Rembrandt als höchst willkommenes Motiv auch diesmal nicht entgehen Hess, hat er gleichwohl
jetzt fast völlig coordiniert mit den übrigen Zuschauern behandelt.

Hinsichtlich der Composition sehen wir in der Radierung von 1640 den Hintergrund sich all-
mälig optisch ebnen, den Vordergrund aber sich noch in tastbaren Buchten brechen, welchem Ver-
hältnisse auch die Anordnung der hellen Hauptfiguren vor einer dunkleren Figurenmenge als Hinter-
grund entspricht. Die Composition der Albertina-Zeichnung zeigt hingegen alle Erinnerung an cubische
Raumcentren und' von solchen begrenzte Raumbuchten verlassen. Die Figuren stehen zum Theil in
einer Ebene, die parallel zum Beschauer verläuft, zum anderen Theil in einer Reihe senkrecht darauf
nach der Tiefe, was in unzähligen Compositionen des Meisters aus den ersten Fünfzigerjahren wieder-
kehrt. Die zwei Figuren, die durch ihre Handlung sich alle übrigen zu subordinieren bestimmt sind,
erscheinen völlig luftumfiossen und im freien Räume eingetaucht, wodurch sie abermals (zu Gunsten
der Einheitswirkung mit dem sie umgebenden Räume) in ihrer selbständigen, dominierenden Bedeutung
geschmälert wurden. Der Binnenraum ist trotz der skizzenhaften Ausführung völlig klar begrenzt;
das wogende Raumdunkel in den Ecken hat seine Unabmessbarkeit seit der Anatomie von i632 gänz-
lich verloren.

Den Beschluss mag eine kurze vergleichende Uebersicht über die Entwicklung eines und des-
selben Themas durch alle drei durch die Gruppenporträte Rembrandts vertretenen Stadien hindurch
machen. Es sei hiefür das Thema der Beschneidung gewählt, das Rembrandt vermuthlich wegen des
dahinter verborgenen tieferen symbolischen Sinnes besonders angezogen hat, so dass er es wiederholt
und in weit von einander entfernten Zeitpunkten behandelt hat.

Am Anfange steht die Radierung B. 48 vom Jahre i63i (Fig. 51). Hinten der Hohepriester als
Repräsentant der Synagoge und damit zugleich der äusseren Einheit, da die Einführung des Neu-
geborenen in die Synagoge die Ursache der Handlung bildete. Im Vordergrunde die Träger der Hand-
lung selbst, mit den aufmerksamen Zuschauern in der Runde zu innerer Einheit abgeschlossen. In der
Composition der Altar als übereck vorspringendes Raumcentrum, um das sich die Figuren in dia-
 
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