Das holländische Gruppenporträt.
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Fig. 56. Die Regenten des Kloveniersdoelen, von Govacrt Flinck, 1642.
Amsterdam, Kijksmuseum.
Weit ausgesprochener tritt er uns als solcher in seinem Schützenstucke von 1648, Rijksmuseum
Nr. 362 (Fig. 57), entgegen. Auch dieses Bild sollte gleich der grossen Schuttersmaltijd des B. van der
Heist die Erinnerung an ein »Schuttersvreugdefest« festhalten, eingegeben von dem Jubel über die Beendi-
gung des dreissigjährigen Krieges, der den Holländern übrigens statt Zerstörung und Verwüstung
schliesslich blos Wohlstand und Blüthe gebracht hatte. Und auch hier sollten alle sichtbaren Figuren
im Bilde durch eine bestimmte Handlung zwischen den Hauptchargierten zur inneren Einheit ver-
bunden erscheinen; anstatt eines Toastes wurde aber von Flinck eine Begrüssung gewählt. Auch dieses
Thema war zwar nicht neu und uns ebenfalls schon bei B. van der Heist als Träger der inneren Ein-
heit in seinem ersten Schützenstücke (von 1643, Fig. 53) begegnet. Während aber dort Lieutenant
und Fahnenjunker als Profilgestalten in der Ebene aufeinander zuschritten, sehen wir sie jetzt bei
Flinck voll aus dem Bilde gegen den Beschauer heraustreten und nur die Köpfe einander zuwenden.
Dies macht auf den modernen Beschauer den befremdenden Eindruck des Gezwungenen, Conven-
tionellen und Unnatürlichen; denn zwei Leute, die nur zusammenkommen, um einander zu begrüssen,
sollten doch auch das Bestreben zeigen, einander körperlich näher zu gerathen. Besonders förmlich ist
die Haltung des Capitäns, der fast nach links hinwegzugehen scheint; etwas entgegenkommender ist
die Haltung des Lieutenants, der auch den Hut lebhafter schwenkt. Der moderne Beschauer wird
durch diese zwei Hauptfiguren sofort an Schauspieler erinnert, die en face an den Rand der Bühne
treten und ihr Sprüchlein hersagen, ihrem Partner sich aber blos mit halbem oder ganzem Kopf zu-
wenden. Es geschieht dies bekanntlich um. des Publicums im Zuschauerräume willen und nicht anders
haben wir die Auffassung in Flincks Schützenstücke zu beurtheilen. Auch hier handelt es sich um ein
neu aufgekommenes Verhältnis zwischen Subject (dem einzelnen Menschen) und Object (der ihn um-
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Fig. 56. Die Regenten des Kloveniersdoelen, von Govacrt Flinck, 1642.
Amsterdam, Kijksmuseum.
Weit ausgesprochener tritt er uns als solcher in seinem Schützenstucke von 1648, Rijksmuseum
Nr. 362 (Fig. 57), entgegen. Auch dieses Bild sollte gleich der grossen Schuttersmaltijd des B. van der
Heist die Erinnerung an ein »Schuttersvreugdefest« festhalten, eingegeben von dem Jubel über die Beendi-
gung des dreissigjährigen Krieges, der den Holländern übrigens statt Zerstörung und Verwüstung
schliesslich blos Wohlstand und Blüthe gebracht hatte. Und auch hier sollten alle sichtbaren Figuren
im Bilde durch eine bestimmte Handlung zwischen den Hauptchargierten zur inneren Einheit ver-
bunden erscheinen; anstatt eines Toastes wurde aber von Flinck eine Begrüssung gewählt. Auch dieses
Thema war zwar nicht neu und uns ebenfalls schon bei B. van der Heist als Träger der inneren Ein-
heit in seinem ersten Schützenstücke (von 1643, Fig. 53) begegnet. Während aber dort Lieutenant
und Fahnenjunker als Profilgestalten in der Ebene aufeinander zuschritten, sehen wir sie jetzt bei
Flinck voll aus dem Bilde gegen den Beschauer heraustreten und nur die Köpfe einander zuwenden.
Dies macht auf den modernen Beschauer den befremdenden Eindruck des Gezwungenen, Conven-
tionellen und Unnatürlichen; denn zwei Leute, die nur zusammenkommen, um einander zu begrüssen,
sollten doch auch das Bestreben zeigen, einander körperlich näher zu gerathen. Besonders förmlich ist
die Haltung des Capitäns, der fast nach links hinwegzugehen scheint; etwas entgegenkommender ist
die Haltung des Lieutenants, der auch den Hut lebhafter schwenkt. Der moderne Beschauer wird
durch diese zwei Hauptfiguren sofort an Schauspieler erinnert, die en face an den Rand der Bühne
treten und ihr Sprüchlein hersagen, ihrem Partner sich aber blos mit halbem oder ganzem Kopf zu-
wenden. Es geschieht dies bekanntlich um. des Publicums im Zuschauerräume willen und nicht anders
haben wir die Auffassung in Flincks Schützenstücke zu beurtheilen. Auch hier handelt es sich um ein
neu aufgekommenes Verhältnis zwischen Subject (dem einzelnen Menschen) und Object (der ihn um-
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