Das holländische Gruppenporträt.
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Fig. 61. Die Regenten der Amsterdamer Chirurgengilde, von Nicolas Maes, 1680.
Amsterdam, Rijksmuscum.
Frucht der vorakademischen Kunstblüthe Hollands bewundern, bei den Zeitgenossen so gut wie keinen
Eindruck hervorgebracht hat; denn zum Unterschied von der hochgepriesenen Anatomie von i632
und der vielumstrittenen »Nachtwache« von 1642 hat das Regentenstück von 1662 in der zeitgenössi-
schen Literatur keine Spuren hinterlassen. Das Rembrandtproblem ist hienach nichts Anderes als das
Kunstproblem seines Volkes auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung, das aber Rembrandt im
Drange nach seiner vollkommensten Lösung noch zu einer Zeit verfolgt hat, als seine Landsleute im
Allgemeinen schon darüber hinaus waren. Als Rembrandt endlich die befriedigendste und vollkom-
menste Lösung gefunden hatte, war das Verständnis dafür bei seinen Landsleuten erloschen; und die An-
erkennung, die ihm damals versagt blieb, ist ihm erst durch die kunstgeschichtliche Forschung und Be-
trachtung am Ende des XIX. Jahrhunderts zu Theil geworden.
Noch eines Schülers mag hier gedacht sein, der die Empfindungsweise seines Meisters in solchem Nicolas Macs.
Maasse getheilt hat, dass man eine Zeitlang seine späteren akademischen Bilder für Werke eines
ganz anderen Malers des gleichen Namens halten zu müssen glaubte: des Nicolas Maes. Nicht das
Dramatische war es, was diesen Künstler zu Rembrandts Kunst hingezogen hat, sondern die intime
Auflösung der Einzelfigur in der Umgebung. Eine so ausgesprochen subjectivistische Neigung lässt
von Haus aus erwarten, dass der Schüler im Laufe der Zeit sich von seinem Meister emancipieren und"
in die gesteigert subjectivistische Auffassung der Akademiker einlenken würde. Diese Entwicklung
kennzeichnet sich auch bei Maes wie bei allen anderen Schülern Rembrandts, die den gleichen Weg
gegangen sind, durch eine allmälige Emancipierung der einzelnen Figur von der Umgebung, womit
bis zu gewissem Grade eine Rehabilitation der Localfarbe zwingend verbunden war. Aus seiner aka-
demischen Zeit besitzt nun das Rijksmuseum (Nr. 891) ein Gruppenporträt der Chirurgengilde aus
den Jahren 1680_1681 (Fig. 61), das in gewisser Hinsicht den Durchschnittscharakter der damaligen
Amsterdamer Gruppenporträte verleugnet und mit der einheitlichen Spannung in der Auffassung den
Schüler Rembrandts verräth. Es kann keinen Zweifel leiden, dass diese sechs Leute in einem Räume
und in einem Zeitmomente beisammen sitzen und durch ein gemeinsames Aufmerksamkeitsziel be-
schäftigt werden, das ausserhalb des Bildes auf der Seite des Beschauers liegt. Aeussere und innere
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Fig. 61. Die Regenten der Amsterdamer Chirurgengilde, von Nicolas Maes, 1680.
Amsterdam, Rijksmuscum.
Frucht der vorakademischen Kunstblüthe Hollands bewundern, bei den Zeitgenossen so gut wie keinen
Eindruck hervorgebracht hat; denn zum Unterschied von der hochgepriesenen Anatomie von i632
und der vielumstrittenen »Nachtwache« von 1642 hat das Regentenstück von 1662 in der zeitgenössi-
schen Literatur keine Spuren hinterlassen. Das Rembrandtproblem ist hienach nichts Anderes als das
Kunstproblem seines Volkes auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung, das aber Rembrandt im
Drange nach seiner vollkommensten Lösung noch zu einer Zeit verfolgt hat, als seine Landsleute im
Allgemeinen schon darüber hinaus waren. Als Rembrandt endlich die befriedigendste und vollkom-
menste Lösung gefunden hatte, war das Verständnis dafür bei seinen Landsleuten erloschen; und die An-
erkennung, die ihm damals versagt blieb, ist ihm erst durch die kunstgeschichtliche Forschung und Be-
trachtung am Ende des XIX. Jahrhunderts zu Theil geworden.
Noch eines Schülers mag hier gedacht sein, der die Empfindungsweise seines Meisters in solchem Nicolas Macs.
Maasse getheilt hat, dass man eine Zeitlang seine späteren akademischen Bilder für Werke eines
ganz anderen Malers des gleichen Namens halten zu müssen glaubte: des Nicolas Maes. Nicht das
Dramatische war es, was diesen Künstler zu Rembrandts Kunst hingezogen hat, sondern die intime
Auflösung der Einzelfigur in der Umgebung. Eine so ausgesprochen subjectivistische Neigung lässt
von Haus aus erwarten, dass der Schüler im Laufe der Zeit sich von seinem Meister emancipieren und"
in die gesteigert subjectivistische Auffassung der Akademiker einlenken würde. Diese Entwicklung
kennzeichnet sich auch bei Maes wie bei allen anderen Schülern Rembrandts, die den gleichen Weg
gegangen sind, durch eine allmälige Emancipierung der einzelnen Figur von der Umgebung, womit
bis zu gewissem Grade eine Rehabilitation der Localfarbe zwingend verbunden war. Aus seiner aka-
demischen Zeit besitzt nun das Rijksmuseum (Nr. 891) ein Gruppenporträt der Chirurgengilde aus
den Jahren 1680_1681 (Fig. 61), das in gewisser Hinsicht den Durchschnittscharakter der damaligen
Amsterdamer Gruppenporträte verleugnet und mit der einheitlichen Spannung in der Auffassung den
Schüler Rembrandts verräth. Es kann keinen Zweifel leiden, dass diese sechs Leute in einem Räume
und in einem Zeitmomente beisammen sitzen und durch ein gemeinsames Aufmerksamkeitsziel be-
schäftigt werden, das ausserhalb des Bildes auf der Seite des Beschauers liegt. Aeussere und innere