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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0257
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verräth aber auch die Composition. Das Dreieck ist viel stumpfer als z. B. später in Rembrandts Ana-
tomie und fast gleichzeitig in de Keysers Anatomie und es ermangelt namentlich eines geschlossenen
Scheitels; denn zwischen der Spitze der Fahnenstange und dem nächsten Kopf der absteigenden
Schenkellinie klafft eine weite Lücke, wodurch in der Scheitellinie zwei emporragende Gipfel Bedeu-
tung gewinnen: der eben erwähnte (des Dritten von rechts) und der Kopf des Fahnenjunkers. Dieses
grundsätzliche Widerstreben gegen die starre Einheit auf Grund strenger Subordination ist nun in der
Haarlemer Malerei gewiss die Quelle zahlreicher Abwechslungsreize geworden; aber ebenso gewiss hat
es ganz wesentlich mit dazu beigetragen, dass die Haarlemer nicht gleich den Amsterdamern die höchste
Stufe der holländischen Malerei erklommen haben.

Aus dem Jahre 1627 stammen zwei Schützenstücke des Hals, die schon äusserlich in der Färbung
bezeichnende Unterschiede untereinander aufweisen. Nun ist das eine davon (Fig. 63), mit den
St. Adrians-Schützen, nach der Ueberlieferung zur Erinnerung an den Ausmarsch derselben in den
spanischen Krieg im Jahre 1622 bestellt worden und hienach wohl für das ältere anzusehen, was auch
durch eine Vergleichung der beiden Bilder vom entwicklungsgeschichtlichen Standpunkte bestätigt wird.

Was die Auffassung dieses Gruppenporträts von derjenigen in allen übrigen des Frans Hals
unterscheidet, ist nicht so sehr die Steigerung, welche die Zahl der Repräsentanten der inneren Einheit
gegenüber denjenigen der äusseren erfahren hat, sondern hauptsächlich die ausserordentliche Zersplitte-
rung in einzelne Theil-Genregruppen, deren Mitglieder überdies nicht einmal mehr in compactem Zu-
sammenschlüsse auftreten sondern zum Theile mit Raffinement auf beide Seiten des Bildes vertheilt
und auf Distanz untereinander in Verkehr gesetzt erscheinen. Und zwar finden sich diese Figuren-
verschränkungen (zweier Paare) hinten angebracht, während vorne rechts und links geschlossenere
Gruppen auftreten. Der Eindruck momentanen Trubels und äusserlich-lebendiger Haltung ist dadurch
freilich in weit höherem Maasse als im Jahre 1616 erreicht worden; aber es bleibt mindestens zweifelhaft,

Das
Schützenstück
der Haarlemer
St. Adrians-
Gilde von 1627.
 
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