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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0273
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Das holländische Gruppenporträt.

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Fig. 70. Die Regentinnen des Oudemannenhuis, von Frans Hals, 1664.
Haarlcm, städtisches Museum.

in der Art der Delfter angenähert hat. Die Figuren bilden im Binnenraume gleichsam geballte far-
bige Wolken mit festem Kern und fliessenden Umrissen; aber während die Delfter den Binnen-
raum als solchen mit gleicher Treue mitmalten und gerade dadurch zu klarerer Abgrenzung der
Figuren und zur Verbindung derselben durch Reflexe und Valeurs geführt werden, bleibt bei Hals der
Binnenraum nach wie vor blosse Andeutung aus der Fernsicht und dies zwingt ihn auch zu jener
maasslosen Breite des Vortrages, die dem in der Nähe des Bildes Weilenden den Eindruck des Un-
fertigen und Skizzenhaften macht und die man seit jeher in materialistischer Hyperkritik als blosses
Symptom der Altersschwäche und als eine natürliche Folge der zittrig gewordenen Hände zu erklären
gesucht hat. In der Gesammtcomposition endlich ist der Fortschritt gegenüber dem Regentenstück von
1641 am wenigsten fühlbar. Das Streben nach Rembrandts optischer Ebene hat sich allerdings unver-
kennbar verstärkt aber die Tischplatte als Raumcentrum ist namentlich im Bilde der Regentinnen
noch deutlich beibehalten; vielleicht fühlte der Meister hier die Nothwendigkeit, damit ein haptisches
Gegengewicht zu schaffen, da er gerade im Bilde der Regentinnen an der Hinterwand eine impressioni-
stisch hingestrichene Landschaft im Charakter des Wijnants oder irgend eines Italianisten jener Zeit
angebracht hat.

Solange dasjenige, was die Haarlemer vom Gruppenporträt verlangten, mit den speeifischen Nei- Das
gungen des Frans Hals zusammenfiel, — also während der Zwanziger- und Dreissigerjahre — konnte
neben ihm für Aufträge dieser Art kein anderer Meister in Betracht kommen. Im Haarlemer Museum St. Adrians-
hängt auch nur ein einziges Schützenstück aus dieser Zeit von anderer Hand mit Officieren der Adrians- gl1 *J°p0"end"
schützen (Fig. 71). Der Katalog schreibt es dem Hendrik Pot zu, dessen maassgebende Leistungen
sonst auf anderen Gebieten lagen und der in gewisser Hinsicht den Uebergang von Frans Hals zu
Terborch vermittelt; als Entstehungsjahr wird ebendaselbst i63o genannt, wozu die Costüme und die
Malweise leidlich stimmen. Dass die einzelnen Figuren dieses Bildes aus dem Geiste der Hals'schen
Kunst geboren wurden, lehrt der erste Blick; aber die Richtung des Haarlemer Hauptmeisters erscheint
hier gewissermaassen auf die Spitze getrieben, in einer Weise, die wir in seinen eigenen Gruppen-
porträten nirgends antreffen. Das Bild beweist uns somit, dass es in Haarlem Leute gegeben hat, denen
 
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