Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

DOI issue:
I. Theil: Abhandlungen
DOI article:
Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0277
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das holländische Gruppenporträt.

271

Fig. 72. Die Regenten des Aalmoeseniers-Arm- en Werkhuis, von Jacob van Loo, 1658.

Haarlem, städtisches Museum.

Element wurde daher wieder ausgeschaltet; aber was nun an seine Stelle trat, ist doch keineswegs das
kameradschaftliche Lustgefühl und die humorvolle Gemüthlichkeit der Zwanziger- und Dreissigerjahre.
Die Regenten blicken weder einladend und herausfordernd wie bei Hals noch theilnehmend und mit-
fühlend wie bei den Amsterdamern: kühl, gemessen und geschäftsmässig mustern sie die Partei. Noch
frappanter ist der Unterschied in der hinteren Scene von geschlossener innerer Einheit. Auch hier fehlt
alle Wärme der Empfindung, wiewohl das Thema dazu geradewegs herausgefordert hätte; aber nichts-
destoweniger fühlt sich der aufmerksame Beschauer gedrängt, gerade bei dieser Gruppe länger zu ver-
weilen. Man lässt den Blick einmal auf dem Kopf des Dieners, dann des Regenten ruhen und fühlt intim
den geheimen inneren Rapport, der zwischen ihnen hin und her vibriert. Dann betrachtet man
wiederum das Mädchen, das halb neugierig, halb ängstlich gespannt zum Cassier aufblickt. Wir
ahnen die Gedankenfäden, die sich zwischen den drei Personen spinnen, und betrachten dieselben mit
lustvoller Aufmerksamkeit, so wie sie selbst durch reine Aufmerksamkeit untereinander verbunden
scheinen. Wir glauben eine gemalte Novelle vor uns zu sehen, wie sie Gerhard Terborch so unüber-
troffen geschaffen hat, und es ist in der That die durch Terborch vertretene Richtung der holländischen
Malerei, die wir da im Gruppenporträt zum Ausdrucke gelangen sehen.

Man darf niemals vergessen, dass das unverrückbare Ziel aller holländischen Malerei die Dar- Das Wesen des
Stellung der Aufmerksamkeit gewesen ist. Nur um der Individualisierung der Aufmerksamkeit willen ""c^,',*™
hatten die Holländer von den Italienern die Darstellung des Gefühlslebens übernommen. Die Lust bei dicser Periode.
Hals, das Mitgefühl bei Rembrandt waren blos Mittel zum Zwecke und, sobald dieser erreicht schien,
erwachte naturgemäss das Bestreben, das nunmehr überflüssig gewordene Fremde wiederum nach
Möglichkeit auszuscheiden oder doch auf das nothwendigste Minimum einzuschränken. Aus diesem
Bestreben, das die letzte selbständige Phase der holländischen Malerei vor ihrer Capitulation vor der

xxm. 36
 
Annotationen