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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0081
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Altsalzburger Tafelbilder.

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Zur mittelrheinischen Schule führt aber von unserem Altar kein gangbarer Weg hinüber. Die
Beziehung zum Maler von Großgmain, die sich zuerst Adolf Bayersdorfer aufgedrängt hatte, steht
vielmehr über jedem Zweifel. Eine andere Frage ist, ob hier eine «ziemlich sichere» Arbeit des auch
von Bayersdorfer mit dem Monogrammisten R. F. für eine Person gehaltenen Meisters vorliegt oder
ob es bei der Annahme einer allgemeinen Schulverwandtschaft sein Bewenden haben muß.

Die Leidensvorgänge sind in den kleineren Bildern ohne besondere Originalität erzählt, aber mit
gemütlicher Anteilnahme, mit einer stillgläubigen Frömmigkeit. Die Auffassung verzichtet auf stärkere
Kontraste, bevorzugt gedämpfte Stimmungen, wehmütige, rührende Akzente. Die mittelgroßen, fein-
gliedrigen Gestalten haben keinen festen Stand,
füllen aber die Bildfläche mehr aus als auf den
Wiener und Großgmainer Tafeln. Im Ver-
gleiche mit diesen ist die Zeichnung ängstli-
cher, das anatomische Verständnis geringer.
Verkürzungen, Überschneidungen, Rückenan-
sichten, Stellungen im Kontrapost werden mit
halbem Erfolg zu geben versucht. Die häufig
vor- und zurückgebeugten oder im Profil ab-
gekehrten Köpfe mit breiten Backen, perücken-
artig anliegendem Haar, niedergeschlagenen
oder starr ins Leere blickenden Augen unter
hohen, ziemlich weit abstehenden Brauen,
schmalrückiger Nase, etwas aufgeworfenen Lip-
pen, vorspringendem Kinn zeigen den Typus
des Großgmainers, aber erst halb ausgebildet,
unausgewirkt. Die Hände, durchwegs Frauen-
hände, sind klein und rundlich, ihre Geberden
meist schüchtern, zurückhaltend. Wie in Wien
und Großgmain macht die Gewandung vom
Zeitkostüm nur mäßigen Gebrauch, das Gefälte
ist etwas weicher und voller. Daneben fehlt es
jedoch nicht an unruhig gehäuften Brüchen
und im Gebet am Olberg z. B. ist der auf dem
Boden ausgebreitete Mantel Christi wie auf
dem Wiener Bilde des Gegenstandes arrangiert.
Nur mit dürftigen Beigaben ist die landschaft-
liche und architektonische Lokalität angedeu-
tet, deren Schilderung auch nicht die starke
Seite des Großgmainers ausmacht. Wie dort und auf den Wiener Tafeln ist der Horizont stets zu
hoch, im oberen Drittel angenommen. Die schieferigen Basaltfelsen des Wiener Olberges mit den
astknotenartigen Mulden, die knolligen Erdkuppen, die Steine im Vordergrunde sind auch auf den
Regensburger Gemälden zur Terrainangabe verwendet. Vorgeschrittener als die Raumanschauung
erweist sich das Kolorit des Künstlers. In der Wahl und Zusammenstellung der hellen, blumigen
Farben wird derselbe Geschmack wie in den Großgmainer Bildern fühlbar, man trifft das nämliche
Lichtgrün, Grauviolett und ungebrochene Rot. Der Vortrag ist gleichmäßig fest, gewissenhaft und
gediegen; das Licht gleitet um die Körper herum, ohne den Umrissen etwas von ihrer Bestimmtheit
zu nehmen.

Ein Zuviel an Phantasie und Leidenschaft, das in oberdeutschen Passionsbildern sonst häufig
zur Verzerrung und Unnatur führt, läßt sich den Szenen also nicht vorwerfen. Dafür überrascht eine
gute Zahl Figuren durch feine Motivierung und persönliches Leben. Die besten Köpfe enthält die Fuß-

10*

Fig. 17. Salzburger Schule, St. Ambrosius.
Salzburg, Stift St. Peter.
 
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