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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 27.1907-1909

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Hans Wechtlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5947#0009
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Hans Wechtlin.

Tätigkeit allem Anscheine nach lokalisierbar ist, indes Werke bürgerlich mythischer Künstler des
XV. Jahrhunderts wie des Meisters E S oder des Hausbuchmeisters durch neu aufgefundene Zeichnun-
gen in rascher Folge erfreulichen Zuwachs erfuhren. Und dazu war meines Wissens dreimal sogar auf
signierte Zeichnungen Wechtlins hingewiesen worden, die doch Kristallisationspunkte für die Bereiche-
rung seines Werkes hätten abgeben können.

Am längsten ist die von H. Loedel in Holzschnitt wiedergegebene farbige Kreidezeichnung des
herzoglichen Museums in Braunschweig bekannt. Sie zeigt das Porträt eines bartlosen Mannes im Drei-
viertelprofil nach links, das von derselben Hand, die es roh mit der Feder überging, auch mit einer In-
schrift versehen worden war «Melanton. Anno domini MDXIX. XXXIII annos habui. Io Wechtlin fa-
ciebat», worauf die gekreuzten Pilgerstäbe folgen. Eduard Flechsig, dessen Güte ich die Angabe der
Technik verdanke, hält die Zeichnung für eine späte, nach Wechtlins Zeit gefertigte Arbeit, die In-
schrift aber für eine Fälschung. Da ich das Blatt nicht gesehen habe, kann ich kaum widersprechen;
doch scheint mir zu beachten, daß einerseits der Typus des Dargestellten mit seiner großen fleischigen
Nase trotz des Porträtcharakters des Blattes sehr wohl zu den Typen der Wechtlinschen Passions-
schnitte stimmt, andererseits eine Fälschung auf den erst von Loedel wieder entdeckten Namen Wecht-
lins sehr unwahrscheinlich ist, viel eher die Notiz unter dem Porträt, wenigstens in ihrem für uns
wesentlichen Teile, eine Abschrift der etwa einem Beschneiden des Blattes zum Opfer gefallenen Ori-
ginalbezeichnung sein könnte. Jedenfalls lassen die Technik der Zeichnung und ihre Eigenschaft als
Porträtdarstellung das Blatt als Stützpunkt für die weitere Untersuchung ungeeignet erscheinen.

Die nächste, angeblich signierte Zeichnung Wechtlins war durch W. von Seidlitz in die Literatur
eingeführt worden, der auf einem der herzoglich Anhaltischen Behördenbibliothek in Dessau gehörigen
Blatte die Pilgerstäbe des Künstlers entdecken zu können glaubte.1 Die einen heil. Simon vorstellende
Zeichnung ist eine ganz vorzügliche Arbeit von der Hand eines Meisters der Donauschule, was Seidlitz
für die Pilgerstäbe nahm, ein Andreaskreuz.2 Die tatsächliche Signatur geben die verschnörkelten
Buchstaben darüber, die wohl A V (ersteres unsicher) gelesen werden müssen.

Als dritter endlich verwies G. v. TeVey gelegentlich einer Besprechung der Straßburger Kunst-
und Altertumsausstellung von 18953 auf einen Scheibenriß des historischen Museums in Bern, der
durch die gekreuzten Pilgerstäbe als Werk Wechtlins sichergestellt sei. Paul Ganz in Basel war so
freundlich, mir auf meine Anfrage mitzuteilen, daß das Blatt deutlich als Nachzeichnung zu erkennen
sei. An derselben Stelle versuchte Terey auch, Wechtlin dubitativ einige unsignierte Zeichnungen zu-
zuweisen. Doch kenne ich leider die Blätter des Gothaer Kabinettes, die er nennt, nicht.

Dann hat Franz Bock4 auf eine unsignierte Zeichnung der Albertina aufmerksam gemacht, in
deren Urheber er Wechtlin erkannte. Die Zuteilung ist richtig, aber die Zeichnung, auf die ich später
zurückkomme, bietet mir keine Seite dar, von der aus ich sie für den mir vorgezeichneten Gang meiner
Untersuchung nutzbar machen könnte. Die ebenfalls von Bock Wechtlin benannte Kreuzigung in Hell-
dunkel des Berliner Kabinettes (TeVey 32) rührt nicht von unserem Meister her.

Im Besitze A. Ritters v. Lanna in Prag befindet sich die Zeichnung eines den Bogen spannenden,
nach links gewendeten Schützen, die als Vorarbeit für ein Sebastiansbild wird gelten dürfen (Fig. 2). Sie
ist mit der Tuschfeder auf weißes Papier gebracht, das 23o X 170 mm mißt und als Wasserzeichen den
Ochsenkopf mit der Schlange zeigt. Diese Studie rührt von Hans Wechtlin her. Der Nachweis seiner
Urheberschaft wird nicht ganz leicht zu führen sein, da die Zeichnung älter als alle seine bisher be-
kannten Schnitte und um vieles liebevoller als die Passionsbilder ausgeführt ist, die doch allein zum
Vergleiche herangezogen werden können. Nicht zu viel Nachdruck will ich dabei auf das Kostümliche

* Vgl. Jahrbuch der kgl. preußischen Kunstsammlungen II, 15. Mit Abbildung der Signatur.

2 Die Zeichen rechts, respektive links vom Andreaskreuz, welche als o J und B (dieses nach Analogie von Waldauf—
Baldauf, Wilibald — Bilibald an Stelle des V nicht unmöglich) gedeutet werden könnten, markieren die Schlageisen der Kette
des goldenen Vlieses.

8 Repertorium für Kunstwissenschaft XVIII, 477.

4 Die Werke des Mathias Grünewald, Straßburg 1904 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 54), S. 155.
 
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