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Heinrich Röttinger.
welche den Blättern des Zyklus des sogenannten Benediktmeisters1 als Hintergründe dienen und mit
unverkennbarer Anlehnung an Dürers Schnitte B. i3, 75, 120 etc. entworfen sind. Besonders das land-
schaftlich reiche Wiener Blatt der Folge scheint Anknüpfungsversuchen günstig zu sein. Tatsächlich
finden wir hier die ebenso gestalteten erdigen Hänge, die dünnen Parallelstämme, das runde Strauch-
werk mit der Detaillierung in sägezahnigen Bogen, den gewundenen Stämmen des Gebüsches (auf den
Albertina-Todesreitern im Mittelgrunde ober dem gestürzten Reiter) und die kühn ausgreifenden schwan-
ken Gerten, die in der Wiener Helldunkelzeichnung rechts oben sichtbar werden. Die Tanne, welche
hier fehlte, zeigen B. 2, 4, 5. Wenn das Figurale nicht widerspricht, ist der Benediktmeister mit Hans
Wechtlin identisch. Und es widerspricht nicht: zwei von den wenigen Laien, die in dem ganzen Zyklus
überhaupt sich finden, der kniende Bauer auf dem Münchener Blatte und der stehende auf dem Pariser,
zeigen eine entschiedene Familienähnlichkeit mit
dem Prager Bogenschützen und dem Budapester Rei-
ter. Diese Ubereinstimmung könnte auf einem Zufall
beruhen; zwischen den geistlichen Personen des Be-
nediktzyklus und der von mir zusammengestellten
soldatisch-kavalleristischen Gruppe lassen sich for-
male Beziehungen nur schwer konstatieren. Ich ver-
suche also, das bisherige Ergebnis meiner Unter-
suchung nochmals dadurch zu versichern, daß ich die
Figuren des Benediktzyklus mit den Gestalten der
Straßburger Passion vergleiche. Den Hinweis auf ge-
wisse Eigentümlichkeiten, die jedes Blatt der Passion
mit jedem des Benediktzyklus gemeinsam hat, sende
ich voraus. Man beachte die schweren Augendeckel,
die Vorliebe für fette und schlaffe Gesichter, die Fal-
ten, die von der Nase zum Doppelkinne reichen, die
Betonung der Backenknochen und die eigenartige
Umringelung der kurzen Haarlocken. Für die Mönche
Fig. 8. Benedikts Wunder mit der Sense, Zeichnung. der Legende bieten besonders die Blätter Pass. i3,
Paris, Louvre. I7» 2°> a3> 25> 27 und 49 Analogien. Im besonderen
vergleiche man etwa den Benedikt des Wiener Blat-
tes mit dem Hohenpriester Pass. 17 (die Nase, das Ringelchen darunter, den Mund) oder mit dem Blin-
den Pass. 25 (Augen, Mund). Oder man vergleiche die Hände des knienden Bauers auf dem Münchener
Blatte mit den Händen Ghristi Pass. 28 oder Marias 14 (der kleine Finger ist leicht eingeknickt), die
Hand des Bauers auf dem Pariser Blatte mit der des Apostels links vorne Pass. 48, die Hände des ersten
Mönches hinter dem Pariser Benedikt mit den Händen Marias Pass. 16 (der Zeigefinger steht leicht vom
Mittelfinger ab) usf. Die Röhrenfalten am Kleide des dienenden Bruders auf dem Wiener Blatte wur-
den als Eigentümlichkeit Wechtlins bereits erwähnt; der flatternde Gewandzipfel desselben Mönches
ist an den fliehenden Aposteln Pass. 29, in reicherem Maße an den Wiener Todesreitern zu bemerken.
Mit der Kutte des Wiener Benedikt vergleiche man bezüglich der Faltenbildung das Kleid der sitzenden
Frau Pass. 23. Im allgemeinen weisen Wechtlins Drapierungen ausschließlich eckig gebrochene Falten
1 Von der Reihe (Taf. II und Fig. 4—9) sind gegenwärtig folgende sieben Blätter bekannt: Wien, Albertina: Der heil.
Benedikt in der Höhle von Subiaco; Berlin: Der heil. Benedikt in der Einsamkeit (vgl. Tereys Text zu den Handzeichnungen
Baidungs, S. XCVIII, Nr. 19); Braunschweig, Sammlung Blasius: Der heil. Benedikt als Lehrer (vgl. Hausmann, A. Dürers
Kupferstiche etc., Hannover 1861, S. 94); München: Der Heilige erweckt ein totes Kind; Paris: Benedikt überreicht einem
Bauern die ins Wasser gefallene Sense; London: Maurus rettet den ins Wasser gefallenen Placidus; Darmstadt: Benedikt,
sich in Disteln kasteiend. Diese Zeichnung trägt das Wappen der Nürnberger Familie Ketzel. Das Wiener, Londoner, Pariser
und Darmstädter Blatt sind leicht aquarelliert. Ober die bisherigen Taufen des Zyklus vgl. Christian Rauch, Die Trauts, Straßburg
1907 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 79), II, 21 f.; der zitierte Autor selbst entschied sich für Kulmbach.
Heinrich Röttinger.
welche den Blättern des Zyklus des sogenannten Benediktmeisters1 als Hintergründe dienen und mit
unverkennbarer Anlehnung an Dürers Schnitte B. i3, 75, 120 etc. entworfen sind. Besonders das land-
schaftlich reiche Wiener Blatt der Folge scheint Anknüpfungsversuchen günstig zu sein. Tatsächlich
finden wir hier die ebenso gestalteten erdigen Hänge, die dünnen Parallelstämme, das runde Strauch-
werk mit der Detaillierung in sägezahnigen Bogen, den gewundenen Stämmen des Gebüsches (auf den
Albertina-Todesreitern im Mittelgrunde ober dem gestürzten Reiter) und die kühn ausgreifenden schwan-
ken Gerten, die in der Wiener Helldunkelzeichnung rechts oben sichtbar werden. Die Tanne, welche
hier fehlte, zeigen B. 2, 4, 5. Wenn das Figurale nicht widerspricht, ist der Benediktmeister mit Hans
Wechtlin identisch. Und es widerspricht nicht: zwei von den wenigen Laien, die in dem ganzen Zyklus
überhaupt sich finden, der kniende Bauer auf dem Münchener Blatte und der stehende auf dem Pariser,
zeigen eine entschiedene Familienähnlichkeit mit
dem Prager Bogenschützen und dem Budapester Rei-
ter. Diese Ubereinstimmung könnte auf einem Zufall
beruhen; zwischen den geistlichen Personen des Be-
nediktzyklus und der von mir zusammengestellten
soldatisch-kavalleristischen Gruppe lassen sich for-
male Beziehungen nur schwer konstatieren. Ich ver-
suche also, das bisherige Ergebnis meiner Unter-
suchung nochmals dadurch zu versichern, daß ich die
Figuren des Benediktzyklus mit den Gestalten der
Straßburger Passion vergleiche. Den Hinweis auf ge-
wisse Eigentümlichkeiten, die jedes Blatt der Passion
mit jedem des Benediktzyklus gemeinsam hat, sende
ich voraus. Man beachte die schweren Augendeckel,
die Vorliebe für fette und schlaffe Gesichter, die Fal-
ten, die von der Nase zum Doppelkinne reichen, die
Betonung der Backenknochen und die eigenartige
Umringelung der kurzen Haarlocken. Für die Mönche
Fig. 8. Benedikts Wunder mit der Sense, Zeichnung. der Legende bieten besonders die Blätter Pass. i3,
Paris, Louvre. I7» 2°> a3> 25> 27 und 49 Analogien. Im besonderen
vergleiche man etwa den Benedikt des Wiener Blat-
tes mit dem Hohenpriester Pass. 17 (die Nase, das Ringelchen darunter, den Mund) oder mit dem Blin-
den Pass. 25 (Augen, Mund). Oder man vergleiche die Hände des knienden Bauers auf dem Münchener
Blatte mit den Händen Ghristi Pass. 28 oder Marias 14 (der kleine Finger ist leicht eingeknickt), die
Hand des Bauers auf dem Pariser Blatte mit der des Apostels links vorne Pass. 48, die Hände des ersten
Mönches hinter dem Pariser Benedikt mit den Händen Marias Pass. 16 (der Zeigefinger steht leicht vom
Mittelfinger ab) usf. Die Röhrenfalten am Kleide des dienenden Bruders auf dem Wiener Blatte wur-
den als Eigentümlichkeit Wechtlins bereits erwähnt; der flatternde Gewandzipfel desselben Mönches
ist an den fliehenden Aposteln Pass. 29, in reicherem Maße an den Wiener Todesreitern zu bemerken.
Mit der Kutte des Wiener Benedikt vergleiche man bezüglich der Faltenbildung das Kleid der sitzenden
Frau Pass. 23. Im allgemeinen weisen Wechtlins Drapierungen ausschließlich eckig gebrochene Falten
1 Von der Reihe (Taf. II und Fig. 4—9) sind gegenwärtig folgende sieben Blätter bekannt: Wien, Albertina: Der heil.
Benedikt in der Höhle von Subiaco; Berlin: Der heil. Benedikt in der Einsamkeit (vgl. Tereys Text zu den Handzeichnungen
Baidungs, S. XCVIII, Nr. 19); Braunschweig, Sammlung Blasius: Der heil. Benedikt als Lehrer (vgl. Hausmann, A. Dürers
Kupferstiche etc., Hannover 1861, S. 94); München: Der Heilige erweckt ein totes Kind; Paris: Benedikt überreicht einem
Bauern die ins Wasser gefallene Sense; London: Maurus rettet den ins Wasser gefallenen Placidus; Darmstadt: Benedikt,
sich in Disteln kasteiend. Diese Zeichnung trägt das Wappen der Nürnberger Familie Ketzel. Das Wiener, Londoner, Pariser
und Darmstädter Blatt sind leicht aquarelliert. Ober die bisherigen Taufen des Zyklus vgl. Christian Rauch, Die Trauts, Straßburg
1907 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 79), II, 21 f.; der zitierte Autor selbst entschied sich für Kulmbach.