Hans Wechtlin.
19
Das Haargekräusel des ersten Schriftgelehrten links desselben Bildes fällt auch an dem dem Herrn gegen-
übersitzenden Apostel des Abendmahles auf. Oder man vergleiche die zitierte Tafel in bezug auf die
Formen und die Sprache der Hände mit dem Abendmahle. Den Typus des Apostels zur Linken wieder-
holt in allem Wesentlichen (Ohr) der die Beschneidung vornehmende Priester des Dresdener Altares Den
Typus Christi bringt sowohl dieser wie auch die Albertina-Passion. Wie auf der Abendmahlzeichnung
13t auch hier (besonders auf der Geißelung) die Plastik kleiner anatomischer Details (Tränensäcke!
Fingerglieder) bis zur Umnngelung der Einzelheiten getrieben. Weiter beachte man auf den Altar'
bildern wie auf der Abendmahlzeichnung die
Wiedergabe der Pupille; stets weist sie ein
kleines weißes Fleckchen auf, das einmal die
hellere Färbung der Regenbogenhaut, das
anderemal ein Glanzlicht andeuten soll,
immer aber dem Auge etwas Stechendes
gibt. Zum Schlüsse halte man die Zeichnung
gegen den Schnitt gleichen Inhaltes der
Straßburger Passion (Pass. 27, Fig. 21). Von
Entlehnung etwa ist nichts zu bemerken; die
engen Bezüge zwischen den beiden Blättern
sind durch die Individualität ihres Urhebers
bedingt. Dargestellt ist der Augenblick, wo
Christus den Verräter durch die Überreichung
des Bissens bezeichnet.1 Die oberrheinischen
Alemannen scheinen besonders begabt ge-
wesen zu sein im Erfassen dessen, was man
die Nachtseiten der menschlichen Seele ge-
nannt hat. Das Hexentreiben hat kein anderer
so deutlich geschaut wie Baidung, die mys-
tischen Schauer der Kreuzigungsszene nie-
mand eindringlicher dargestellt als Grüne-
wald, die Schrecken des Todes Wechtlin am
packendsten wiedergegeben. Die Haltung
des Judas, der wider Willen emporgezogen
unter dem tiefen Blicke des Herrn sich halb
erhebt, schlägt mit ihrer unheimlichen Psy-
chologie in dieselbe Art ein.
Zahlreicher sind die Zeichnungen religiösen Inhaltes aus etwas späterer Zeit, welche sich um die
Benediktlegende gruppieren lassen. Ihr dürfte auch zeitlich zunächst das Blatt der Graphischen
Sammlung in München stehen, welches den heil. Franciscus darstellt, wie er kniend in freier Landschaft
die Wundmale empfängt. Links der schlafende Bruder, rechts die Fassade eines gotischen Kirchleins
oben der geflügelte Crucifixus. Die obere Hälfte der Zeichnung ist mit einem bogenförmigen Blattwerk-
rahmen eingefaßt.* Typen Faltenbildungen und Landschaft sind wie auf den Benediktblättern gestaltet.
In derselben Sammlung befindlich, schließt stilistisch und technisch ein heil. Christoph 3 an den
Franciscus an. Von größerer Bedeutung ist das bisher Dürer zugeteilte Blatt des Museums in Renne..*
Fig. 21. Das Abendmahl, Holzschnitt aus der Straßburger Passion.
Pass. 27.
1 Vgl. zu diesem Motive K. Tscheuschner im Rep. XXVII, 304 f
2 Getuschte Federzeichnung, 270X260: „Schäufelein." Eine nicht lavW,„ m u ■ u
auf welche mich J. Meder verwies, befindet sich im Louvre zu Paris Nachze.chnung ohne den Blattwerkbogen,
I f^f: 1Sfffn?: geffvAuf "fte habe -h hier Karl Großmann in München zu danken.
« Leicht kolorierte Federzeichnung, 35oX2i8. Eme stark verkleinerte Nachbildung bei Ephrussi Dürer w a ■
eine größere Tafel 17 der IX. Serie der Dürer Society mit Text von S. Montagu Peartree. SSlnS'
3*
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Das Haargekräusel des ersten Schriftgelehrten links desselben Bildes fällt auch an dem dem Herrn gegen-
übersitzenden Apostel des Abendmahles auf. Oder man vergleiche die zitierte Tafel in bezug auf die
Formen und die Sprache der Hände mit dem Abendmahle. Den Typus des Apostels zur Linken wieder-
holt in allem Wesentlichen (Ohr) der die Beschneidung vornehmende Priester des Dresdener Altares Den
Typus Christi bringt sowohl dieser wie auch die Albertina-Passion. Wie auf der Abendmahlzeichnung
13t auch hier (besonders auf der Geißelung) die Plastik kleiner anatomischer Details (Tränensäcke!
Fingerglieder) bis zur Umnngelung der Einzelheiten getrieben. Weiter beachte man auf den Altar'
bildern wie auf der Abendmahlzeichnung die
Wiedergabe der Pupille; stets weist sie ein
kleines weißes Fleckchen auf, das einmal die
hellere Färbung der Regenbogenhaut, das
anderemal ein Glanzlicht andeuten soll,
immer aber dem Auge etwas Stechendes
gibt. Zum Schlüsse halte man die Zeichnung
gegen den Schnitt gleichen Inhaltes der
Straßburger Passion (Pass. 27, Fig. 21). Von
Entlehnung etwa ist nichts zu bemerken; die
engen Bezüge zwischen den beiden Blättern
sind durch die Individualität ihres Urhebers
bedingt. Dargestellt ist der Augenblick, wo
Christus den Verräter durch die Überreichung
des Bissens bezeichnet.1 Die oberrheinischen
Alemannen scheinen besonders begabt ge-
wesen zu sein im Erfassen dessen, was man
die Nachtseiten der menschlichen Seele ge-
nannt hat. Das Hexentreiben hat kein anderer
so deutlich geschaut wie Baidung, die mys-
tischen Schauer der Kreuzigungsszene nie-
mand eindringlicher dargestellt als Grüne-
wald, die Schrecken des Todes Wechtlin am
packendsten wiedergegeben. Die Haltung
des Judas, der wider Willen emporgezogen
unter dem tiefen Blicke des Herrn sich halb
erhebt, schlägt mit ihrer unheimlichen Psy-
chologie in dieselbe Art ein.
Zahlreicher sind die Zeichnungen religiösen Inhaltes aus etwas späterer Zeit, welche sich um die
Benediktlegende gruppieren lassen. Ihr dürfte auch zeitlich zunächst das Blatt der Graphischen
Sammlung in München stehen, welches den heil. Franciscus darstellt, wie er kniend in freier Landschaft
die Wundmale empfängt. Links der schlafende Bruder, rechts die Fassade eines gotischen Kirchleins
oben der geflügelte Crucifixus. Die obere Hälfte der Zeichnung ist mit einem bogenförmigen Blattwerk-
rahmen eingefaßt.* Typen Faltenbildungen und Landschaft sind wie auf den Benediktblättern gestaltet.
In derselben Sammlung befindlich, schließt stilistisch und technisch ein heil. Christoph 3 an den
Franciscus an. Von größerer Bedeutung ist das bisher Dürer zugeteilte Blatt des Museums in Renne..*
Fig. 21. Das Abendmahl, Holzschnitt aus der Straßburger Passion.
Pass. 27.
1 Vgl. zu diesem Motive K. Tscheuschner im Rep. XXVII, 304 f
2 Getuschte Federzeichnung, 270X260: „Schäufelein." Eine nicht lavW,„ m u ■ u
auf welche mich J. Meder verwies, befindet sich im Louvre zu Paris Nachze.chnung ohne den Blattwerkbogen,
I f^f: 1Sfffn?: geffvAuf "fte habe -h hier Karl Großmann in München zu danken.
« Leicht kolorierte Federzeichnung, 35oX2i8. Eme stark verkleinerte Nachbildung bei Ephrussi Dürer w a ■
eine größere Tafel 17 der IX. Serie der Dürer Society mit Text von S. Montagu Peartree. SSlnS'
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