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Ludwig v. Buerkel.
Die Komposition ist das verstimmende Element im Bilde. Wenngleich sich die Figuren über-
schneiden, zerfällt die Darstellung in zwei Hälften. Links die peinlich erregte Göttin, die freigebig mit
den Reizen ihres wohlgebauten Körpers prunkt, rechts die unglücklich gedrängte Gruppe mit der Leiche;
die obere Hälfte des Bildes ist leer und unbenützt. Die Anbringung des Putto in der linken Ecke, als
Füllung nötig, macht die Lücke in der rechten Ecke besonders empfindlich. In diesen Dingen verrät
sich der Anfänger nicht weniger als in der ungeschickten Parallellegung der Hände auf des Jünglings
Leib. Das Tragen verstanden große Meister ästhetischer zu lösen. Besonders ungeschickt ist der reich-
beschuhte Fuß der linken Tragenden, der zu allem Überfluß sich dem nackten Fuße der zweiten
Gestalt und dem hängenden Arme des Jünglings zugesellt.
Modelle scheinen zwei benützt, und zwar
zwei weibliche. Ein volleres mit rundlichem, lie-
benswürdigem Köpfchen, das sich ihm in Erregung
für die Göttin, in Beschaulichkeit für die links Tra-
gende zu schicken schien, ein zweites, schmächti-
geres mit einem Antlitz, das bei leidendem Aus-
drucke gewinnt, ein Typus, den Van Dyck gerne
wählte. Dies zweite hat wohl auch für die Jiing-
lingsleiche gedient, in der der weibliche Charakter
überwiegt. So sehr sich Furini an die Modelle
hielt, so läßt dies doch in dieser frühen Arbeit schon
eine Hand- und Fußform erkennen, die ausgebildet
später stets begegnet. Die Hand ist lang, mit spitz
zulaufenden Fingern. Ich glaube nicht zu irren,
wenn ich des Freundes Giovanni da San Giovanni
Art hierfür verantwortlich mache. Er pflegte die
Konturen der Finger so zu verschneiden, daß in
vielen Zeichnungen die Enden der Konturen sich
kreuzend fortlaufen. Die Füße sind langgestreckt,
mit starker Betonung der Zeheneinschnitte. Die
bunten, reichen Stiefel sind ein Requisit aus seines
letzten Lehrers Matteo Rosselli Werkstatt. Von
Giovanni stammt wohl auch der spielende Putto in
seiner auffälligen Drehung. Eine schöne, für Gio-
vanni typische Rötelzeichnung in den Uffizien mit
der schlafenden Antiope als Vorwurf hat im Vor-
dergrunde einen sehr ähnlichen Putto.1
Es erübrigt noch, von der Farbe zu sprechen. Mehr noch diese als die Komposition, die Furinis
Schwäche bleibt, läßt den Anfänger erkennen. Dem Bilde fehlt vornehmlich die Leuchtkraft des Fleisches,
welche die späteren Werke des Malers auszeichnet und welche das XVIII. Jahrhundert zu steten Ver-
wechslungen der Werke Furinis mit denen Correggios verführte. Das Haar, das in delikatem hellen
Braun sich späterhin über die weißbläulich schimmernde Haut legt, ist hier noch schmutzigbraun.
Perlen und Bändchen im Haar, große Schmuckstücke an der Bekleidung, Elemente, die der spätere
Furini feinsinnig zu verwenden weiß, sind hier schwach in Wirkung gesetzt. Schwere Seidenstoffe —
ein gelber bedeckt die Leiche — vermeidet er späterhin. Sie waren Atelierstücke Cristofano Alloris.
Später behandelt Furini alle Stoffe aufs weichste, läßt sie schmiegen, anstatt sie in starrigem Bäumen
Fig. 12. Veritas.
Fiesole, Sammlung von Buerkel.
1 Diese Zeichnung wurde mit mehreren Leidensgenossen von verschiedener Meister Hand durch einen bekannten
deutschen Entdecker jüngst dem Correggio zuerkannt. Wer den Vorzug hat, Correggio oder Giovanni da San Giovanni zu
kennen, wird in diesen Irrtum nicht verfallen.
Ludwig v. Buerkel.
Die Komposition ist das verstimmende Element im Bilde. Wenngleich sich die Figuren über-
schneiden, zerfällt die Darstellung in zwei Hälften. Links die peinlich erregte Göttin, die freigebig mit
den Reizen ihres wohlgebauten Körpers prunkt, rechts die unglücklich gedrängte Gruppe mit der Leiche;
die obere Hälfte des Bildes ist leer und unbenützt. Die Anbringung des Putto in der linken Ecke, als
Füllung nötig, macht die Lücke in der rechten Ecke besonders empfindlich. In diesen Dingen verrät
sich der Anfänger nicht weniger als in der ungeschickten Parallellegung der Hände auf des Jünglings
Leib. Das Tragen verstanden große Meister ästhetischer zu lösen. Besonders ungeschickt ist der reich-
beschuhte Fuß der linken Tragenden, der zu allem Überfluß sich dem nackten Fuße der zweiten
Gestalt und dem hängenden Arme des Jünglings zugesellt.
Modelle scheinen zwei benützt, und zwar
zwei weibliche. Ein volleres mit rundlichem, lie-
benswürdigem Köpfchen, das sich ihm in Erregung
für die Göttin, in Beschaulichkeit für die links Tra-
gende zu schicken schien, ein zweites, schmächti-
geres mit einem Antlitz, das bei leidendem Aus-
drucke gewinnt, ein Typus, den Van Dyck gerne
wählte. Dies zweite hat wohl auch für die Jiing-
lingsleiche gedient, in der der weibliche Charakter
überwiegt. So sehr sich Furini an die Modelle
hielt, so läßt dies doch in dieser frühen Arbeit schon
eine Hand- und Fußform erkennen, die ausgebildet
später stets begegnet. Die Hand ist lang, mit spitz
zulaufenden Fingern. Ich glaube nicht zu irren,
wenn ich des Freundes Giovanni da San Giovanni
Art hierfür verantwortlich mache. Er pflegte die
Konturen der Finger so zu verschneiden, daß in
vielen Zeichnungen die Enden der Konturen sich
kreuzend fortlaufen. Die Füße sind langgestreckt,
mit starker Betonung der Zeheneinschnitte. Die
bunten, reichen Stiefel sind ein Requisit aus seines
letzten Lehrers Matteo Rosselli Werkstatt. Von
Giovanni stammt wohl auch der spielende Putto in
seiner auffälligen Drehung. Eine schöne, für Gio-
vanni typische Rötelzeichnung in den Uffizien mit
der schlafenden Antiope als Vorwurf hat im Vor-
dergrunde einen sehr ähnlichen Putto.1
Es erübrigt noch, von der Farbe zu sprechen. Mehr noch diese als die Komposition, die Furinis
Schwäche bleibt, läßt den Anfänger erkennen. Dem Bilde fehlt vornehmlich die Leuchtkraft des Fleisches,
welche die späteren Werke des Malers auszeichnet und welche das XVIII. Jahrhundert zu steten Ver-
wechslungen der Werke Furinis mit denen Correggios verführte. Das Haar, das in delikatem hellen
Braun sich späterhin über die weißbläulich schimmernde Haut legt, ist hier noch schmutzigbraun.
Perlen und Bändchen im Haar, große Schmuckstücke an der Bekleidung, Elemente, die der spätere
Furini feinsinnig zu verwenden weiß, sind hier schwach in Wirkung gesetzt. Schwere Seidenstoffe —
ein gelber bedeckt die Leiche — vermeidet er späterhin. Sie waren Atelierstücke Cristofano Alloris.
Später behandelt Furini alle Stoffe aufs weichste, läßt sie schmiegen, anstatt sie in starrigem Bäumen
Fig. 12. Veritas.
Fiesole, Sammlung von Buerkel.
1 Diese Zeichnung wurde mit mehreren Leidensgenossen von verschiedener Meister Hand durch einen bekannten
deutschen Entdecker jüngst dem Correggio zuerkannt. Wer den Vorzug hat, Correggio oder Giovanni da San Giovanni zu
kennen, wird in diesen Irrtum nicht verfallen.