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Valerian von Loga.
Die aufgelöste Verlobung mit dem Erben des Nachbarreiches, die das Band froher Hoffnungen
jäh zerschneidet, ist nur das Vorspiel hereinbrechender Schicksalsschläge, die die blühende Dynastie in
kurzer Zeit hinwelken und aussterben ließen. Mor aber hatte sich ganz allmählich unter der südlichen
Sonne von der derberen holländischen Malweise losgelöst. Nach Tizians Vorbild will er Eleganz malen;
auch die aristokratischen Modelle mit ihrem schlanken Wuchs und der vornehmen Haltung haben diese
Wandlung seines Stils hervorge-
rufen. Bei seinen in England er-
standenen Bildern erhebt er sich
dann koloristisch zu unerreichter
Höhe und die Kunstgeschichte er-
wies ihm die Ehre, Raffaels farbig-
stes Bildnis, den Kardinal Alidosi,
für ihn, seine eigenen Arbeiten für
Tizian in Anspruch zu nehmen.
Als Philipp sich am 3. Juli
1554 in Coruna nach England ein-
schiffte, war ihm sein Maler bereits
vorausgegangen, einen Auftrag für
Spanien, den er, obgleich er sehr
schnell arbeitete, im Drange der
Abreise nicht erledigen konnte, mit
über das Wasser nehmend. Wie
er später bei seinem fluchtartigen
Abgang von Madrid in Alonso
Sanchez den Ersatzmann empfahl,
so hatte er auch am Hofe König
Juans einen Landsmann Christoph
von Utrecht eingeführt, der dort
zu hohen Ehren gelangte. Ihm wird
das angebliche Bildnis Vascos de
Gama im Museum zu Lissabon zu-
geschrieben.
Die nach kurzem Rausch
ihrer Ehe mit einem Knaben früh
verwitwete Infantin Juana war von
dem kaiserlichen Vater während
der Abwesenheit des Bruders zum
Governador der kastilischen Kronreiche bestellt worden, dem Namen nach in Gemeinschaft mit
ihrem Neffen, dem unglücklichen Don Carlos. Sie hatte diesen verantwortlichen Platz mit der Klug-
heit und politischen Einsicht, die allen Damen aus dem Hause Habsburg in dieser Zeit eigen war, zur
allgemeinen Zufriedenheit ausgefüllt. Jetzt galt es, ihr Bildnis in der Eigenschaft als Regentin anzu-
fertigen, ähnlich dem, das Moro einige Jahre früher von ihrer älteren Schwester geschaffen hatte. Dies
wundervolle Zeremonienbild1 trägt die Jahreszahl 1554, ist also nicht mehr in Spanien fertiggestellt.2 Justi
hat den geistigen Gehalt dieses Gemäldes (Taf. XIX) mit unübertrefflicher Meisterschaft in Worte gefaßt:3
Fig. 9.
Antonis Mor, Der Herzog von Alba.
Brüssel, kgl. Museum.
1 Museo del Prado, Nr. 1488, aus dem Palast Philipps III. in Valladolid.
2 Durch die Bezeichnung «aetatis 17» auf Alonso Sanchez Kopie im Museum zu Brüssel (Nr. 227) ist die Entstehung
dieses Gemäldes im Jahre 1554 beglaubigt.
3 Philipp IL als Kunstfreund, a. a. O., S. 312.
Valerian von Loga.
Die aufgelöste Verlobung mit dem Erben des Nachbarreiches, die das Band froher Hoffnungen
jäh zerschneidet, ist nur das Vorspiel hereinbrechender Schicksalsschläge, die die blühende Dynastie in
kurzer Zeit hinwelken und aussterben ließen. Mor aber hatte sich ganz allmählich unter der südlichen
Sonne von der derberen holländischen Malweise losgelöst. Nach Tizians Vorbild will er Eleganz malen;
auch die aristokratischen Modelle mit ihrem schlanken Wuchs und der vornehmen Haltung haben diese
Wandlung seines Stils hervorge-
rufen. Bei seinen in England er-
standenen Bildern erhebt er sich
dann koloristisch zu unerreichter
Höhe und die Kunstgeschichte er-
wies ihm die Ehre, Raffaels farbig-
stes Bildnis, den Kardinal Alidosi,
für ihn, seine eigenen Arbeiten für
Tizian in Anspruch zu nehmen.
Als Philipp sich am 3. Juli
1554 in Coruna nach England ein-
schiffte, war ihm sein Maler bereits
vorausgegangen, einen Auftrag für
Spanien, den er, obgleich er sehr
schnell arbeitete, im Drange der
Abreise nicht erledigen konnte, mit
über das Wasser nehmend. Wie
er später bei seinem fluchtartigen
Abgang von Madrid in Alonso
Sanchez den Ersatzmann empfahl,
so hatte er auch am Hofe König
Juans einen Landsmann Christoph
von Utrecht eingeführt, der dort
zu hohen Ehren gelangte. Ihm wird
das angebliche Bildnis Vascos de
Gama im Museum zu Lissabon zu-
geschrieben.
Die nach kurzem Rausch
ihrer Ehe mit einem Knaben früh
verwitwete Infantin Juana war von
dem kaiserlichen Vater während
der Abwesenheit des Bruders zum
Governador der kastilischen Kronreiche bestellt worden, dem Namen nach in Gemeinschaft mit
ihrem Neffen, dem unglücklichen Don Carlos. Sie hatte diesen verantwortlichen Platz mit der Klug-
heit und politischen Einsicht, die allen Damen aus dem Hause Habsburg in dieser Zeit eigen war, zur
allgemeinen Zufriedenheit ausgefüllt. Jetzt galt es, ihr Bildnis in der Eigenschaft als Regentin anzu-
fertigen, ähnlich dem, das Moro einige Jahre früher von ihrer älteren Schwester geschaffen hatte. Dies
wundervolle Zeremonienbild1 trägt die Jahreszahl 1554, ist also nicht mehr in Spanien fertiggestellt.2 Justi
hat den geistigen Gehalt dieses Gemäldes (Taf. XIX) mit unübertrefflicher Meisterschaft in Worte gefaßt:3
Fig. 9.
Antonis Mor, Der Herzog von Alba.
Brüssel, kgl. Museum.
1 Museo del Prado, Nr. 1488, aus dem Palast Philipps III. in Valladolid.
2 Durch die Bezeichnung «aetatis 17» auf Alonso Sanchez Kopie im Museum zu Brüssel (Nr. 227) ist die Entstehung
dieses Gemäldes im Jahre 1554 beglaubigt.
3 Philipp IL als Kunstfreund, a. a. O., S. 312.