ÜBER EINIGE WERKE MICHELANGELOS IN IHREM VERHÄLTNISSE
ZUR ANTIKE.
Von
Alois Grünwald.
I Bis zu den ersten Arbeiten an der sixtinischen Decke.
i. Der Bologneser Engel.
elten hat sich der Stilvergleichung ein so willkommener Anlaß geboten, zwei Werke
einander gegenüber zu stellen und aus ihrer Verschiedenheit die künstlerische Eigen-
art des Jüngeren abzuleiten, wie bei Michelangelos Bologneser Engel (Fig. i) und
seinem Gegenüber von der Hand Niccolös dell'Arca. Der lokale Zusammenhang, der
leiche Vorwurf, vor allem aber die Haltung ließ keinen Zweifel an der Berechti-
gung eines solchen Vorgehens aufkommen.
Indes zeigen auch andere Darstellungen dieser Art ein ganz ähnliches Be-
' h heraus, daß sie mit Michelangelo in Einzelheiten übereinstimmen, die
wegungsschema, ja es ste t sie der Schöpfung des Luca deila Robbia, bei der der Leuchter
bei Niccolö anders gebildet sin • Zuhüfenahme des Gewandes angefaßt wird, dürfte die
in ähnlicher Weise wie bei Micn 5 ^ _ ^ ^ ^ ^ ^ . ^
Verwandtschaft nicht wunder"e ;nders aber steht es mit ßenedettos da Majano Engel in S. Dome-
geren Künstler 8™^^, gwifl nie gesehen hat; und doch finden sich gerade bei ihm nicht nur
nico zu Siena, den ic e ähnlich gebildeter Leuchter, sondern auch das leichte Vorbeugen des
ein trotz verschiedener Auflassung o . __
, . „ u,nT1(T der Brust — ein oflenbarer Gegensatz zu der kerzengeraden Haltung
Oberkörpers und die leise Drenung u
^nte/dbgemdnsamen Züge auf ein gemeinsames Vorbild hindeuten? Die Frage mag befrem-
d fi d t aber in dem Hinweis auf das Relief einer leuchtertragenden Nike im Louvre (Taf. XXVI)
ihre Rechtfertigung.1 u i_ • , ,. , . . . „
So christlich die Idee des leuchtertragenden Lngels auch scheinen mag, so beliebt sie in der Re-
a\p reizenden Schöpfungen des Quattrocento (für die man in jener Zeit in Deutschland
naissance war, — die reizen .>,?.,„...
vergeblich eine Parallele suchen wird) durlten alle in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu jener
Nike stehen; Michelangelos Bologneser Engel aber ist ihr ureigenstes Kind. Dafür zeugt das leichte Vor-
neigen der Brust, ihre leise Drehung, das Knien auf dem linken Bein, das — nur ganz minimale —Vor-
schieben desselben, das Aufstützen des rechten Fußes, das Herumlegen der Rechten um den Leuchter-
■ Bouillon III: Bas rel.efs, PL 151; Giraudon, Phot. No. 2089; Reinach, Repertoire de Ia statuaire grecque et romaine
I, p. in, 5; Fröhner, La sculpture anttque du Musee national du Louvre, Paris 1889, No. 481. - Der Erhaltungszustand
des Reliefs ist vorzüglich. Ergänzt ist nur der linke Unterarm. Finger antik. Die Spitze des linken Flügels ist gebrochen.
— In seinem soeben erschienenen Werke über Michelangelo erwähnt Mackowski die Verwandtschaft mit antiken Nikedarstel-
lungen und nennt in der Anmerkung das Pariser Relief, auf das ihn Fischer aufmerksam gemacht habe. Von mir wurde
die Abhängigkeit Michelangelos von der leuchtertragenden Nike bereits in der Doktorarbeit (Frühjahr 1906) eingehend
besprochen.
XX VII. 20
ZUR ANTIKE.
Von
Alois Grünwald.
I Bis zu den ersten Arbeiten an der sixtinischen Decke.
i. Der Bologneser Engel.
elten hat sich der Stilvergleichung ein so willkommener Anlaß geboten, zwei Werke
einander gegenüber zu stellen und aus ihrer Verschiedenheit die künstlerische Eigen-
art des Jüngeren abzuleiten, wie bei Michelangelos Bologneser Engel (Fig. i) und
seinem Gegenüber von der Hand Niccolös dell'Arca. Der lokale Zusammenhang, der
leiche Vorwurf, vor allem aber die Haltung ließ keinen Zweifel an der Berechti-
gung eines solchen Vorgehens aufkommen.
Indes zeigen auch andere Darstellungen dieser Art ein ganz ähnliches Be-
' h heraus, daß sie mit Michelangelo in Einzelheiten übereinstimmen, die
wegungsschema, ja es ste t sie der Schöpfung des Luca deila Robbia, bei der der Leuchter
bei Niccolö anders gebildet sin • Zuhüfenahme des Gewandes angefaßt wird, dürfte die
in ähnlicher Weise wie bei Micn 5 ^ _ ^ ^ ^ ^ ^ . ^
Verwandtschaft nicht wunder"e ;nders aber steht es mit ßenedettos da Majano Engel in S. Dome-
geren Künstler 8™^^, gwifl nie gesehen hat; und doch finden sich gerade bei ihm nicht nur
nico zu Siena, den ic e ähnlich gebildeter Leuchter, sondern auch das leichte Vorbeugen des
ein trotz verschiedener Auflassung o . __
, . „ u,nT1(T der Brust — ein oflenbarer Gegensatz zu der kerzengeraden Haltung
Oberkörpers und die leise Drenung u
^nte/dbgemdnsamen Züge auf ein gemeinsames Vorbild hindeuten? Die Frage mag befrem-
d fi d t aber in dem Hinweis auf das Relief einer leuchtertragenden Nike im Louvre (Taf. XXVI)
ihre Rechtfertigung.1 u i_ • , ,. , . . . „
So christlich die Idee des leuchtertragenden Lngels auch scheinen mag, so beliebt sie in der Re-
a\p reizenden Schöpfungen des Quattrocento (für die man in jener Zeit in Deutschland
naissance war, — die reizen .>,?.,„...
vergeblich eine Parallele suchen wird) durlten alle in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu jener
Nike stehen; Michelangelos Bologneser Engel aber ist ihr ureigenstes Kind. Dafür zeugt das leichte Vor-
neigen der Brust, ihre leise Drehung, das Knien auf dem linken Bein, das — nur ganz minimale —Vor-
schieben desselben, das Aufstützen des rechten Fußes, das Herumlegen der Rechten um den Leuchter-
■ Bouillon III: Bas rel.efs, PL 151; Giraudon, Phot. No. 2089; Reinach, Repertoire de Ia statuaire grecque et romaine
I, p. in, 5; Fröhner, La sculpture anttque du Musee national du Louvre, Paris 1889, No. 481. - Der Erhaltungszustand
des Reliefs ist vorzüglich. Ergänzt ist nur der linke Unterarm. Finger antik. Die Spitze des linken Flügels ist gebrochen.
— In seinem soeben erschienenen Werke über Michelangelo erwähnt Mackowski die Verwandtschaft mit antiken Nikedarstel-
lungen und nennt in der Anmerkung das Pariser Relief, auf das ihn Fischer aufmerksam gemacht habe. Von mir wurde
die Abhängigkeit Michelangelos von der leuchtertragenden Nike bereits in der Doktorarbeit (Frühjahr 1906) eingehend
besprochen.
XX VII. 20