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F. M. Haberditzl.
tinazeichnung (Fig. 10). Auf beiden ist die Zusammenkunft des Herrn mit Nikodemus in einem Raum,
der von einer Kerze beleuchtet wird, dargestellt. Die Durchführung aber ist völlig verschieden. Auf dem
Stiche de Jodes umgibt der Lichtkreis wie eine Aureole die Kerzenflamme; die beiden Gestalten werden
kaum von einem Schatten gestreift und dieser Streif entspricht schwerlich einer tatsächlichen Beobach-
tung. Auf dem Tische liegen zur Charakterisierung der Gelehrtenstube Bücher, Tintenfaß, Federkiel
und Kapsel malerisch verstreut. Nikodemus, im Typus gleich dem Abraham auf der Zeichnung der
Regina Patriarcharum (Fig. 5), legt beteuernd die rechte Hand auf die Brust; Zeigefinger und kleiner
Finger sind nach italienischer Manier weggespreizt. Ganz gleich ist auch die Linke, die auf dem Arm-
stuhl ruht, gezeichnet. Christus blickt nicht auf Nikodemus, er schaut ins Leere. Dieser Mangel an Kon-
Fig. 11. A. van Noort zugeschrieben, Auferweckung des Sohnes der Witwe von Naim.
Zeichnung in Wien, Albertina.
gruenz des psychischen Ausdruckes mit der körperlichen Aktion macht denselben Eindruck wie auf der
Rotterdamer Zeichnung, wo die Athene mit dem Zirkel auf der Leinwand doziert und dabei ihren
Schützling ansieht. Die Handhaltung Christi, speziell die Linke mit dem erhobenen Zeigefinger, ist
italienischen Vorbildern entnommen.
Auf der Albertinazeichnung scheint das Thema — eine nächtliche Zusammenkunft bei Kerzen-
licht — nur des Lichtproblems wegen gewählt zu sein. Der rechte Arm Christi, in momentaner Be-
wegung ausgestreckt, verdeckt die Flamme und wirft einen scharfen Schatten über Ärmel und Brust. In
Nikodemus pflanzt sich die vom Herrn ausgehende Bewegung fort: der ganze Körper unterstützt die
Gebärde der Beteuerung; der Kopf ist etwas vorgeneigt, das Profil in scharfer Beleuchtung; die Rechte
hält er an die Brust, die Linke streckt er beteuernd aus. Es ist klar: der Künstler, den das dramatische
Moment und die Durchführung des Lichtproblems in solcher Weise beschäftigen, gehört einer anderen
Schule an.
Auch auf den beiden anderen Albertinazeichnungen interessiert ihn vorzugsweise das Beleuch-
tungsproblem; auf der Auferweckung (Fig. 11) stellt er die beiden Pharisäer links am Rande in den
F. M. Haberditzl.
tinazeichnung (Fig. 10). Auf beiden ist die Zusammenkunft des Herrn mit Nikodemus in einem Raum,
der von einer Kerze beleuchtet wird, dargestellt. Die Durchführung aber ist völlig verschieden. Auf dem
Stiche de Jodes umgibt der Lichtkreis wie eine Aureole die Kerzenflamme; die beiden Gestalten werden
kaum von einem Schatten gestreift und dieser Streif entspricht schwerlich einer tatsächlichen Beobach-
tung. Auf dem Tische liegen zur Charakterisierung der Gelehrtenstube Bücher, Tintenfaß, Federkiel
und Kapsel malerisch verstreut. Nikodemus, im Typus gleich dem Abraham auf der Zeichnung der
Regina Patriarcharum (Fig. 5), legt beteuernd die rechte Hand auf die Brust; Zeigefinger und kleiner
Finger sind nach italienischer Manier weggespreizt. Ganz gleich ist auch die Linke, die auf dem Arm-
stuhl ruht, gezeichnet. Christus blickt nicht auf Nikodemus, er schaut ins Leere. Dieser Mangel an Kon-
Fig. 11. A. van Noort zugeschrieben, Auferweckung des Sohnes der Witwe von Naim.
Zeichnung in Wien, Albertina.
gruenz des psychischen Ausdruckes mit der körperlichen Aktion macht denselben Eindruck wie auf der
Rotterdamer Zeichnung, wo die Athene mit dem Zirkel auf der Leinwand doziert und dabei ihren
Schützling ansieht. Die Handhaltung Christi, speziell die Linke mit dem erhobenen Zeigefinger, ist
italienischen Vorbildern entnommen.
Auf der Albertinazeichnung scheint das Thema — eine nächtliche Zusammenkunft bei Kerzen-
licht — nur des Lichtproblems wegen gewählt zu sein. Der rechte Arm Christi, in momentaner Be-
wegung ausgestreckt, verdeckt die Flamme und wirft einen scharfen Schatten über Ärmel und Brust. In
Nikodemus pflanzt sich die vom Herrn ausgehende Bewegung fort: der ganze Körper unterstützt die
Gebärde der Beteuerung; der Kopf ist etwas vorgeneigt, das Profil in scharfer Beleuchtung; die Rechte
hält er an die Brust, die Linke streckt er beteuernd aus. Es ist klar: der Künstler, den das dramatische
Moment und die Durchführung des Lichtproblems in solcher Weise beschäftigen, gehört einer anderen
Schule an.
Auch auf den beiden anderen Albertinazeichnungen interessiert ihn vorzugsweise das Beleuch-
tungsproblem; auf der Auferweckung (Fig. 11) stellt er die beiden Pharisäer links am Rande in den