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Die Lehrer des Rubens.
L8i
der Figur links, die sich aus dem Bilde herauswendet, das Porträt des Malers selbst. Die Porträte, die
wir zum Vergleiche heranziehen, sind folgende: das Porträt des van Noort in Profil Stellung auf dem
großen Familienporträt von Jordaens in der Kassler Galerie (vgl. den Ausschnitt Fig. 21), das von
Buschmann1 in das Jahr 1616 versetzt wird; das en face wiedergegebene Porträt des Künstlers auf dem
von Jordaens ein bis zwei Jahre später gemalten Familienporträt in der Eremitage zu Petersburg und
eine Radierung des A. van Dyck aus dessen um 1641 erschienener Ikonographie (Fig. 22).2 Trotz der
großen qualitativen Unterschiede in Auffassung und Ausführung erkennt man an der schmalen, spitzen
Nase, die an der Spitze ein klein wenig nach abwärts gebogen ist, den scharfen, kleinen, tiefliegenden
Augen, den etwas markierten Backenknochen und dem in den Mundpartien besonders charakteristischen
gutmütigen Gesichtsausdrucke dieselbe Person. Jordaens ist ehrlicher und schlichter in der Wiedergabe
der Porträtfigur als van Dyck, der den Künstler in bewußter Pose hinstellt und z. B. die beginnende
Glatze geschickt durch den Haarschopf in der Mitte zu verdecken weiß. Trotzdem ist van Noort auf der
van Dyckschen Radierung
entschieden älter als auf
den beiden von Jordaens
gemalten Porträten, wo er
so ziemlich im gleichen
Alter wie auf seinem Selbst-
porträt wiedergegeben ist.
Das gibt uns schon einen
— wenn auch recht äußer-
lichen — Anhaltspunkt für
die Datierung des Brüssler
Bildes selbst, das demnach
ungefähr im zweiten De-
zennium des XVII. Jahr-
hunderts entstanden sein
dürfte.
Auf dem Mantel der
Porträtfigur vom Knie ab-
wärts findet sich auch jene Falte, die wir bereits bei Besprechung der Zeichnungen als eine charakte-
ristische Handgewohnheit des Meisters hervorgehoben haben. Man vergleiche daraufhin speziell den
heil. Franziskus und seinen Begleiter auf dem sechsten Stiche des Lebens der heil. Klara (Fig. 19).
Wir haben die Falte in dieser charakteristischen Weise sonst bei keinem Maler jener Periode gefunden.
Die Komposition des Brüssler Bildes ist nach zwei Gesichtspunkten angeordnet. Denkt man sich
die Porträtfigur als Akzessorium zur ganzen Darstellung hinweg, so steht der Apostel Johannes in der
Bildmitte. Dieser bildet die Spitze eines gleichschenkeligen Dreiecks, dessen Seiten durch die kniende
weibliche Figur links, die rechte Hand und den Kopf Christi einerseits, durch die Köpfe der Figuren-
gruppe rechts und die ausgestreckte linke Hand des Apostels Johannes andrerseits zur Spitze _ dem
Kopf dieses Apostels geführt werden. Zugleich aber verbindet Johannes als Füllfigur die diagonal auf
ihn einmündende Gruppe rechts mit der Handlung, deren Mittelpunkt die auf das Haupt des knien-
den Kindes gelegte Linke Christi bildet. Die Gruppe links bis zum Johannes bildet dadurch, daß sie
durch die auf die eben charakterisierte Handlung konzentrierte Blickrichtung der Hauptpersonen, nämlich
der beiden Frauen und der vier Apostel, die Christus zunächst stehen, zusammengehalten wird, ein ge-
schlossenes Ganzes für sich. Diese Kompositionsart beruht also im wesentlichen auf der psychischen
Anteilnahme der dargestellten Personen an der Handlung. Allerdings scheint es nicht beabsichtigt, die
Fig. 18
A. van Noort, Christus und die Ehebrecherin.
Zeichnung in Paris, Louvre.
1 P. Buschmann, Jakob Jordaens, Amsterdam 1905, S. 82/83.
2 Der Kopf in der van Dyckschen Radierung ist im Gegensinne zu dem Brüssler Bilde gezeichnet.
Die Lehrer des Rubens.
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der Figur links, die sich aus dem Bilde herauswendet, das Porträt des Malers selbst. Die Porträte, die
wir zum Vergleiche heranziehen, sind folgende: das Porträt des van Noort in Profil Stellung auf dem
großen Familienporträt von Jordaens in der Kassler Galerie (vgl. den Ausschnitt Fig. 21), das von
Buschmann1 in das Jahr 1616 versetzt wird; das en face wiedergegebene Porträt des Künstlers auf dem
von Jordaens ein bis zwei Jahre später gemalten Familienporträt in der Eremitage zu Petersburg und
eine Radierung des A. van Dyck aus dessen um 1641 erschienener Ikonographie (Fig. 22).2 Trotz der
großen qualitativen Unterschiede in Auffassung und Ausführung erkennt man an der schmalen, spitzen
Nase, die an der Spitze ein klein wenig nach abwärts gebogen ist, den scharfen, kleinen, tiefliegenden
Augen, den etwas markierten Backenknochen und dem in den Mundpartien besonders charakteristischen
gutmütigen Gesichtsausdrucke dieselbe Person. Jordaens ist ehrlicher und schlichter in der Wiedergabe
der Porträtfigur als van Dyck, der den Künstler in bewußter Pose hinstellt und z. B. die beginnende
Glatze geschickt durch den Haarschopf in der Mitte zu verdecken weiß. Trotzdem ist van Noort auf der
van Dyckschen Radierung
entschieden älter als auf
den beiden von Jordaens
gemalten Porträten, wo er
so ziemlich im gleichen
Alter wie auf seinem Selbst-
porträt wiedergegeben ist.
Das gibt uns schon einen
— wenn auch recht äußer-
lichen — Anhaltspunkt für
die Datierung des Brüssler
Bildes selbst, das demnach
ungefähr im zweiten De-
zennium des XVII. Jahr-
hunderts entstanden sein
dürfte.
Auf dem Mantel der
Porträtfigur vom Knie ab-
wärts findet sich auch jene Falte, die wir bereits bei Besprechung der Zeichnungen als eine charakte-
ristische Handgewohnheit des Meisters hervorgehoben haben. Man vergleiche daraufhin speziell den
heil. Franziskus und seinen Begleiter auf dem sechsten Stiche des Lebens der heil. Klara (Fig. 19).
Wir haben die Falte in dieser charakteristischen Weise sonst bei keinem Maler jener Periode gefunden.
Die Komposition des Brüssler Bildes ist nach zwei Gesichtspunkten angeordnet. Denkt man sich
die Porträtfigur als Akzessorium zur ganzen Darstellung hinweg, so steht der Apostel Johannes in der
Bildmitte. Dieser bildet die Spitze eines gleichschenkeligen Dreiecks, dessen Seiten durch die kniende
weibliche Figur links, die rechte Hand und den Kopf Christi einerseits, durch die Köpfe der Figuren-
gruppe rechts und die ausgestreckte linke Hand des Apostels Johannes andrerseits zur Spitze _ dem
Kopf dieses Apostels geführt werden. Zugleich aber verbindet Johannes als Füllfigur die diagonal auf
ihn einmündende Gruppe rechts mit der Handlung, deren Mittelpunkt die auf das Haupt des knien-
den Kindes gelegte Linke Christi bildet. Die Gruppe links bis zum Johannes bildet dadurch, daß sie
durch die auf die eben charakterisierte Handlung konzentrierte Blickrichtung der Hauptpersonen, nämlich
der beiden Frauen und der vier Apostel, die Christus zunächst stehen, zusammengehalten wird, ein ge-
schlossenes Ganzes für sich. Diese Kompositionsart beruht also im wesentlichen auf der psychischen
Anteilnahme der dargestellten Personen an der Handlung. Allerdings scheint es nicht beabsichtigt, die
Fig. 18
A. van Noort, Christus und die Ehebrecherin.
Zeichnung in Paris, Louvre.
1 P. Buschmann, Jakob Jordaens, Amsterdam 1905, S. 82/83.
2 Der Kopf in der van Dyckschen Radierung ist im Gegensinne zu dem Brüssler Bilde gezeichnet.