Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 27.1907-1909

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Haberditzl, Franz Martin: Die Lehrer des Rubens
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5947#0215
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Lehrer des Rubens.

207

Waisenhaus (Fig. 35) wird ganz entschieden die diagonale Richtungslinie betont. Drei Hirten und
eine Magd, als Halbfiguren in die linke untere Ecke gedrängt, bilden den Rahmen. Die Diagonale
wird durch das Kind in der Krippe, dahinter Maria und noch weiter rückwärts in der betonten Rich-
tung durch den heil. Josef— in der charakteristischen Stellung —■ sowie durch die mit dem Spruch-
band herabschwebenden Engel ■— ähnlich wie auf dem Katharinenbild — gebildet. Auf das gleiche
Streben, die räumliche Vertiefung zu veranschaulichen, ist es auch zurückzuführen, daß Vaenius die
Hirten im Vordergrund als Halbfigu-
ren dargestellt hat.

Der nächste Schritt in diesem
Streben nach räumlicher Wiedergabe
der Figurendarstellung wird am besten
wieder durch einen Vergleich zweier
Bilder mit der gleichen Darstellung
charakterisiert: das eine ist eine Auf-
erweckung des Lazarus in der Mi-
chaelskirche zu Gent (Fig. 36) — etwa
Ende der neunziger Jahre zu datieren
—, das andere eine Auferweckung des
Lazarus in S. Bavo zu Gent (Fig. 37),
die Mitteltafel eines auf Holz gemal-
ten Triptychons, unten links datiert:-
Vaenius F. 1608.1

Ähnlich wie auf der eben be-
sprochenen Hirtenanbetung finden
sich auch auf der Auferweckung in
St. Michael Rahmenfiguren im Vor-
dergrund, links zwei Knechte mit
entblößtem Oberkörper, damit beschäf-
tigt, den Sargdeckel an die Wand zu
lehnen, rechts vorne zwei kniende
betende Frauen, in der Mitte zwi-
schen diesen beiden Gruppen ein
Hündchen. Diese Vordergrundsfigu-
ren, die ganz unbeschadet der darge-
stellten Handlung ebensogut wegblei-
ben könnten, haben nur einen kompo-

sitionellen Wert als Repoussoirs. Wollte der Künstler über eine reliefmäßige Aneinandergruppierung
von Figuren, wie auf dem Katharinenbild, hinaus zur räumlichen Disponierung einer Figurendar-
stellung gelangen, so mochte er wohlffür den Übergang einer solchen äußerlichen Zweiteilung in Vor-
der- und Mittelgrund, ähnlich wie die Landschafter durch die vorgelegten Kulissen, nicht entraten
können. In der Auferweckung von S. Bavo (und speziell auch den später zu besprechenden Bildern im

Fig.

O. van Veen, Auferweckung des Lazarus.
Gent, St. Bavo.

1 Eine Beschreibung der Stadt Gent von zirka 1734 besagt: «in de laetste cappelle (von S. Bavo) eer man de trappen
afgaet, is een aultaerstuck met deuren geschildert door Orvo Regnius (!) meester van Rubbens.» Das Gemälde wurde 1794
von den Franzosen geraubt. (Piot, Tableaux enleves ä la Belgique en 1794 et restitues en 1815), 1815 wieder der Kathe-
drale zurückgegeben; ein Flügel aber mit der Schlüsselübergabe Christi an Petrus ging verloren. Auf eine diesbezügliche
Anfrage der Kommission, welche die Rückgabe der geraubten Bilder zu kontrollieren hatte, wurde von der Administration
des Pariser Zentralmuseums geantwortet: «il a ete envoye dans un departement; il se trouvera.» Der Flügel hat sich aber
nicht gefunden; vermutlich hängt er noch unbeachtet in irgendeinem Provinzialmuseum Frankreichs. Auf dem Flügel, der
wieder nach Gent zurückgeschickt wurde, ist der kniende Bischof Daman, der das Gemälde stiftete, in einer Landschaft
dargestellt. Dessen Porträt wurde auch nach der Erfindung van Veens von C. Boel gestochen.
 
Annotationen