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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0103
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96

Oskar Pollak.

bar fehlte den Meistern aber die Anschauung oder die anderweitige genaue Kenntnis dieser Formen,
woraus sich dann auch die Beimischung spätgotischer Gewohnheiten erklärt.

Aber es gibt noch schwerwiegendere Bedenken als diese aprioristischen. Wir wissen aus den Re-
gesten des Jahrbuchs der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses ganz genau, wer die Restau-
rierungsbauten am kaiserlichen Schlosse nach dem furchtbaren Brande des Jahres 1541 geleitet hat. Und

zwar war dies vom Jahre 1542 bis zum
2. Oktober 1545 niemand anderer als
Paolo della Stella1 selbst, der Bau-
meister und Bildhauer des Belvedere-
hauses, vom 2. Oktober 1545 bis etwa
zum Jahre 1551 der Baumeister Zoan
Maria (Austalis),2 der seit dem Be-
ginn des Belvederebaues dort tätig ge-
wesen war, vom Jahre 1551 bis zum
September 1556 der Baumeister Hans
Tirol,3 von dieser Zeit an bis 1570
Bonifaz Wolmuet,4 seit 1573 Ulrich
Austalis de Sala,5 seit 1586 endlich
Johann Gargiolli.6 Welchem von
diesen italienischen oder zumindest ita-
lienisch gebildeten Baumeistern, deren
Tätigkeit wir noch besprechen werden,
will man diese auf so primitiver Stufe
des Verständnisses italienischer Formen
stehenden Bauwerke zuschreiben?

Die Verfechter der Datierung «nach
1541» führen unter anderm als Haupt-
beweis den ins Feld, daß die «Fenster-
gesimse (des Wladislawschen Saales)
den Brand (nicht hätten) überdauern»
können.7 Warum rückt man aber dann
nicht auch die Entstehungszeit der spät-
I |? gotischen Strebepfeiler dieses Saales.

an denen sich noch viel feinere Details

Fig. 12. Portal aus Serlio, IV. Libro d'architettura, fol. LH. .- ■ , . , , ,

8 ' ' ausgezeichnet erhalten haben, «nach

1541» hinauf?

Wenn wir es nun unternehmen wollen, eine Datierung der besprochenen Monumentengruppe
zu versuchen, so ist es wichtig, aus guter Quelle 8 zu erfahren, daß das Neustädter Rathaus (siehe Fig. 2
und 4) im Jahre 1526 enstanden ist. Dieses Rathaus besitzt auch noch hohe spitze, mit spätgotischem
Maßwerk gezierte Giebel, während nach 1540, wie wir sehen werden, eine ganz andere Giebelform herr-
schend geworden war. Endlich aber gibt es ein datiertes Monument in Prag, das die gleiche, nur
stark vereinfachte Türumrahmung zeigt wie die meisten der bisher besprochenen Portale: es ist der Vor-
bau zur Heinrichskirche in der Heinrichsgasse (Fig. 10), der gemäß der Inschrift rechts oben:

1 Reg. 6061, 6062. 2 Reg. 4118, 11820.

' Reg. 6144, 6145, 4204, 4240, 4241, 7180.

4 Reg. 7223ff.; vgl. 4449. 5 Reg. 8144. " Reg. 8237.

7 Lübke (Grueber), Renaissance in Deutschland, 2. Auflage, II, S. 107.

* Aus Hajeks Chronik. Siehe Hammerschmid, Prodromus (1723), p. 584, und Schottky, Prag, wie es war und wie es
ist I (1830), S. 38j.
 
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