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Joseph Meder.
jenen französischer Münster in bezug auf Inhalt und Anordnung ist schon von vielen Seiten betont wor-
den. Auch hier thront der Weltenrichter auf dem Irisbogen zwischen Maria und Johannes, umgeben
von vier Engeln, und zu seinen Füßen vollzieht sich die Zuführung der Seelen zur Belohnung und
Strafe. Auch hier der gähnende Höllenrachen am Ende der kleinfigurigen Zone, in den ein Teufel
die von einer Kette umschlossenen Sünder hineinzerrt, während ein zweiter hinten antreibt, und links
der Seligen Schar, von Kaiser, Papst, Bischof abwärts, die von Petrus mit dem Schlüssel des Para-
dieses empfangen wird.
Dürers Rahmenfüllung lehnt
sich inhaltlich streng an diesen ur-
alten Typus an und fügt nur in der
Detailierung Neues hinzu. Christus
auf dem Irisbogen, Maria, Johannes,
die Beschiedenheiten, Petrus mit dem
Schlüssel, die Stände in ihrer Abfolge,
die zwei Teufel, die Kette, der Höllen-
rachen, die Größendifferenzen, alles
kehrt wieder. An die Stelle der sonst
üblichen Paradiesespforte, die aber
an dem Lorenzportale nicht vor-
kommt, setzt Dürer als Symbol des
Himmels die strahlende Sonnen-
scheibe.1 Nur die architektonische
Gliederung ist im Sinne der Renais-
sance geändert. Der breite Fries des
Gebälkes verlangt nach einer Füllung
und hiezu ist der dicht sich drän-
gende Zug zweier kleinfigurigen
Menschenhaufen ganz geeignet. Da-
durch erscheint die himmlische
Gruppe von der irdischen sachlich
und ornamental getrennt. Die im
Tympanon sonst herabschwebenden
und Posaunen blasenden Engel setzt
er an die Ecken des Gebälkes, so wie
Pisano seine beiden Lautenspieler,
und den linken oberen mit dem
Kreuze läßt er als Bekrönung des Archivolts, gleichfalls mit einem Kreuzesstab versehen, die Rahmen-
dekoration abschließen.
Abweichend ist die mittlere Gruppe des Frieses, wo um einen auf dem Boden Liegenden gekämpft
wird; in feiner Empfindung löst Dürer die Vertikalen in eine Horizontale auf und markiert damit für beide
Scharen eine deutliche Trennung. Abweichend ist ferner die völlige Einheitlichkeit nackter Figuren.
Mag auch der Rahmen und besonders die Frieskomposition in ihrer plastischen Durchführung ein
gewisses selbständiges Vorgehen des Bildhauers aufweisen, im großen und ganzen sichert uns der Ent-
wurf in Chantilly (L. 334) Dürers Erfindung und Gestaltung aller Einzelheiten. So flüchtig diese auch
in der Federzeichnung angedeutet sind, so kehren doch einzelne Posen und Gruppierungen im Rahmen
wieder. Wie Petrus den in schreitender Profilfigur dargestellten Papst heranzieht und mit dem Schlüssel
Fig. 38. Holzschnitt des jüngsten Gerichtes.
1 Die strahlende Sonnenscheibe kommt auch im Tympanon der Lorenzkirche vor, und zwar zu Füßen des Welt-
richters.
Joseph Meder.
jenen französischer Münster in bezug auf Inhalt und Anordnung ist schon von vielen Seiten betont wor-
den. Auch hier thront der Weltenrichter auf dem Irisbogen zwischen Maria und Johannes, umgeben
von vier Engeln, und zu seinen Füßen vollzieht sich die Zuführung der Seelen zur Belohnung und
Strafe. Auch hier der gähnende Höllenrachen am Ende der kleinfigurigen Zone, in den ein Teufel
die von einer Kette umschlossenen Sünder hineinzerrt, während ein zweiter hinten antreibt, und links
der Seligen Schar, von Kaiser, Papst, Bischof abwärts, die von Petrus mit dem Schlüssel des Para-
dieses empfangen wird.
Dürers Rahmenfüllung lehnt
sich inhaltlich streng an diesen ur-
alten Typus an und fügt nur in der
Detailierung Neues hinzu. Christus
auf dem Irisbogen, Maria, Johannes,
die Beschiedenheiten, Petrus mit dem
Schlüssel, die Stände in ihrer Abfolge,
die zwei Teufel, die Kette, der Höllen-
rachen, die Größendifferenzen, alles
kehrt wieder. An die Stelle der sonst
üblichen Paradiesespforte, die aber
an dem Lorenzportale nicht vor-
kommt, setzt Dürer als Symbol des
Himmels die strahlende Sonnen-
scheibe.1 Nur die architektonische
Gliederung ist im Sinne der Renais-
sance geändert. Der breite Fries des
Gebälkes verlangt nach einer Füllung
und hiezu ist der dicht sich drän-
gende Zug zweier kleinfigurigen
Menschenhaufen ganz geeignet. Da-
durch erscheint die himmlische
Gruppe von der irdischen sachlich
und ornamental getrennt. Die im
Tympanon sonst herabschwebenden
und Posaunen blasenden Engel setzt
er an die Ecken des Gebälkes, so wie
Pisano seine beiden Lautenspieler,
und den linken oberen mit dem
Kreuze läßt er als Bekrönung des Archivolts, gleichfalls mit einem Kreuzesstab versehen, die Rahmen-
dekoration abschließen.
Abweichend ist die mittlere Gruppe des Frieses, wo um einen auf dem Boden Liegenden gekämpft
wird; in feiner Empfindung löst Dürer die Vertikalen in eine Horizontale auf und markiert damit für beide
Scharen eine deutliche Trennung. Abweichend ist ferner die völlige Einheitlichkeit nackter Figuren.
Mag auch der Rahmen und besonders die Frieskomposition in ihrer plastischen Durchführung ein
gewisses selbständiges Vorgehen des Bildhauers aufweisen, im großen und ganzen sichert uns der Ent-
wurf in Chantilly (L. 334) Dürers Erfindung und Gestaltung aller Einzelheiten. So flüchtig diese auch
in der Federzeichnung angedeutet sind, so kehren doch einzelne Posen und Gruppierungen im Rahmen
wieder. Wie Petrus den in schreitender Profilfigur dargestellten Papst heranzieht und mit dem Schlüssel
Fig. 38. Holzschnitt des jüngsten Gerichtes.
1 Die strahlende Sonnenscheibe kommt auch im Tympanon der Lorenzkirche vor, und zwar zu Füßen des Welt-
richters.