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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0011
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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance.

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Fig. 2. Hieroglyphe aus der französischen
Horapollonausgabe Jaques Kerver,
Paris 1553.
Originalgrösse.

Einmal auf diesem Wege bedurfte es nicht besonderer Feinfühligkeit, um die Wichtigkeit eines
bei Jaques Kerver in Paris um die Mitte des XVI. Jahrhunderts wiederholt herausgegebenen französi-
schen Buches zu erkennen, dessen seltsame Holzschnitte und dunkler
Text ebenso wie die Allegorie der Ehrenpforte eine emblematische
Abstammung nicht verleugneten. Ein Zufall wollte es, dass einige
Bilder sogar Entlehnungen aus dem Holzschnitt- und Kupferstich-
werke Dürers aufweisen;1 mehr aber als diese reine Zufälligkeit
bedeutete die fast durchwegs vorhandene, gegenständliche Ueber-
einstimmung der in dem Titelbilde des Stabius vorkommenden
Sinnbilder mit der Holzschnittfolge jenes französischen Werkes.
Darunter fanden sich nicht nur der auf einem Bein stehende Kranich
(vgl. Fig. 2), ein Stier und verschiedene Schlangen sondern auch
die beiden im Wasser befindlichen Füsse (vgl. Fig. 3) und Hunde
in mannigfacher Umgebung. Ein gleiches Ergebniss hatte ein Ver-
gleich der erhaltenen Fragmente des lateinischen Manuscriptes mit
dem französischen Text. So ist in diesem die Deutung des horo-
skopischen Sinnbildes nur ein wenig freier übertragen.2 Es schien
also lediglich eine Folge veränderter Auffassung des Uebersetzers,
wenn der Hund, statt eine Stola zu tragen, diesmal neben einem liliengeschmückten Königsmantel
sitzt (Fig. 4), und eine ebensolche des Künstlers, wenn die Stelle einer Sanduhr diesmal die inzwischen
allgemeiner verbreitete Pendeluhr einnimmt (vgl. Fig. 5). Nur
das fiel auf, dass sich in diesen französischen Büchern nicht eine
Andeutung des auf dem Reichsapfel Maximilians stehenden Falken
findet, auch der Hahn fehlt und eine Aehnlichkeit des dem Kaiser
zum Sitze dienenden Ruthenbündels mit einem ihrer Sinnbilder
nicht vorliegt. Aber dafür besagte der Titel der Werke, dass sie
heilige Sculpturen des Orus Apollo, aus dem Egyptischen in das
Griechische von einem Philippus übersetzt, also kurz Hiero-
glyphen oder, wie Stabius sich ausdrückt, »alte Egyptische buch-
staben« enthalten, so dass ihr Zusammenhang mit den Frag-
menten Dürers und der Ehrenpforte gesichert erschien. Trotz-
dem geboten die angedeuteten Incongruenzen sowohl als auch
die mehrere Jahrzehnte spätere Entstehung der Drucke ein näheres
Eingehen, um mit noch zwingenderem Beweise die Allegorien des
Titelbildes auf das Werk des Orus Apollo als ihre Quelle zurück-
führen zu können.

Die Identificirung dieser sculptures sacrees mit den Hieroglyphika des Horapollon war bald
einem besseren Bibliothekskataloge entnommen; dabei fügte es sich ganz besonders günstig, dass eine
von dem verdienstvollen Aegyptologen Leemans bereits 1835 veranstaltete Ausgabe,3 so veraltet sie im
Einzelnen auch sein mag, durch ihre einsichtsvolle Textkritik und umfassende Bibliographie nicht nur
die nöthigen Behelfe zur Beseitigung der zuletzt entstandenen Einwände sondern vor Allem auch einen

Fig. 3. Hieroglyphe aus der französischen
Horapollonausgabe Jaques Kerver,
Paris 1553.
Originalgrösse.

1 Vgl. unten die näheren Nachweise gelegentlich der französischen Hieroglyphenkunde; dort auch Näheres über die Hor-
apollonausgaben Kervers.

2 Der genaue Titel der hier benützten Ausgabe ist folgender: Les sculptures ou graveures sacrees d'Orus Apollo, Niliaque,
c'est ä dire voysin du Nil, lesquelles il composa luy mesme en son langage Fgyptien, et Philippe les meit en Grec; nouvellement tra-
duit du Latin en Francois et imprime' avec les figures ä chaque chapitre par Jacques Kerver. Paris 1553. Die oben erwähnte Stelle
über das Horoskop lautet: Comment ils exprimoient celuy, qui observe la raison des heures. Pour le bien demonstrer, ils designoient
un homme devorant quelque monstre d'orloge, non que il vueille dire qu'un personnage vive d'heures, car il ne seroit possible: mais
c'estoit pour faire entendre qu'a certaines heures l'on appreste aux hommes leurs viandcs, et leur met en devant pour les manger.

3 Conradus Leemans, Horapollinis Niloi Hieroglyphica, Amstelodami 1835.
 
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