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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0013
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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance.

7

Codex am besten beweist. Doch man soll nicht unbescheiden sein. Für die Dürerforschung bedeutet
es schon einen Gewinn, mit Sicherheit nachweisen zu können, wieviel Zeichnungen hier überhaupt ver-
loren gingen. Da in dem Manuscript 68 Copien nach Dürer — mit den zwei Originalzeichnungen beträgt
die Gesammtzahl der Illustrationen 70 — vorhanden und von diesen in den Originalfragmenten nur
8 bekannt sind, so geriethen nach der brutalen Zerstückelung des Originalmanuscriptes im Laufe der
Zeiten nicht weniger als 60 Stücke sicher in Verlust, eine Zahl, welche sich noch um ng erhöhen würde,
wenn, was recht wahrscheinlich ist, Dürer auch den zweiten Theil des Horapollon illustrirt haben sollte.
Es sei die Hoffnung nicht aufgegeben, dass mit der fortschreitenden Kenntnis Dürers verschiedene dieser
Hieroglyphen wieder ans Tageslicht kommen. Zu ihrer Identificirung möge die im Anhang Ul gegebene
Vervielfältigung sämmtlicher Copien des Horapollonmanuscriptes mit Text und der im Anhang II be-
findliche Katalog sämmtlicher, auch der im zweiten Buch der Hieroglyphika vorkommenden Bildzeichen
nebst ihrer kurzen Bedeutung dienen. Ein schöner Lohn wäre es, wenn daraufhin das Fehlende ergänzt
werden könnte.

Dieser Ausbeute für die Kunstgeschichte entspricht das Ergebnis für die Literatur des Humanis-
mus. Dass die Schrift der Fragmente thatsächlich von Pirckheimer herrührt, lehrt wohl der Augen-
schein der im Anhang III gegebenen Fascimilevervielfältigungen der Rückseite des Lanna'schen Blattes
und eines Ausschnittes aus einem Originalbriefe dieses Gelehrten.1 Darnach ist in dem Wiener Codex
die Copie einer Uebersetzung Pirckheimers wieder aufgefunden, die, von den Zeitgenossen hoch-
geschätzt, mehr als drei Jahrhunderte, wenn nicht noch länger, verschollen war. Denn Goldast er-
wähnt nur eine Zusammenstellung Pirckheimers aus dem Nilischen Orus, ohne ihn als Uebersetzer
hervorzuheben, und ausserdem in ganz irrigem Zusammenhange. 2

Mit diesem Funde fällt ein neues Licht auf eine bisher wohl kaum beachtete Seite des geistigen
Lebens der deutschen Humanisten, auf ihre Beschäftigung mit den Hieroglyphen. Wie ausserordent-
lich bedeutungsvoll diese Studien der damaligen Zeit erschienen, beweist, dass die beiden hervor-
ragendsten Gelehrten, Stabius und Pirckheimer, sowie der genialste Künstler des Maximilianischen
Kreises ihre beste Kraft daran setzen, mit diesen »alten Egyptischen buchstaben« ihren Kaiser und
Gönner an der auffälligsten Stelle der Ehrenpforte zu feiern. Dass vollends Maximilian bei seiner steti-
gen persönlichen Controle dieses Beginnen guthiess, zeigt ihn von einer neuen Seite, auch voll Inter-
esse für diese ersten Anfänge einer Aegyptologie.

Horapollons Hieroglyphen sind es, die »das Geheimbild ob dem Titel« zusammenfügen. Soweit
sich hierin die Allegorie der Ehrenpforte Concentrin, müssen sie also auch einen wichtigen Bestand-
teil ihres nun mehr als gelehrt denn als phantastisch aufzufassenden Schmuckes bilden. Auf einen
Einfluss des Horapollon wäre darnach die oben hervorgehobene innere Uebereinstimmung ihrer ganzen
Anlage mit einem Emblem zurückzuführen. Wie, wenn die Hieroglyphika des Horapollon eine Quelle
für die Emblematik überhaupt abgegeben hätten? Diese Folgerungen gaben den ersten Anstoss zu
einer Untersuchung über die Beziehungen dieses ägyptischen Werkes zur Allegorie der Renaissance.

Eine nähere Betrachtung des Stabischen »Hieroglyphikums« erweiterte das zu durchforschende
Gebiet. Abgesehen von dem Reichsadler im Hintergrunde, ist der gallische Hahn — so deutet ihn die
Erklärung des Codex — das einzige Sinnbild, das nicht dem Horapollon entnommen wurde. Die Ver-
werthung dieses Wappenthieres als Hieroglyphe erschien nun insoferne bedeutungsvoll, als es offenbar
das Bestreben der Renaissance zeigt, für Begriffe der Neuzeit analog dem Horapollon moderne Hiero-

1 Die Facsimile-Wiedergabe gebot sich, um die immer wieder angedeuteten Zweifel an der Handschrift Pirckheimers
zu heben. So bezeichnet Lippmann, a. a. O., Abth. II, Nr. 83, die Schrift nur als gleichzeitigen lateinischen Text; Abth. VI
Nr. 149—152 »gilt« sie als die Pirckheimers, während Thausing und Ephrussi über die ihnen bekannten Fragmente als Originale
Pirckheimers nicht Bedenken hegen. Das für die Reproduction des Briefes benützte Negativ wird der Güte des Directors
des Nürnberger Stadtarchivs, Herrn Dr. Mummenhof, verdankt. Hierbei ist auch Herrn Dr. H. Stegmann am Germanischen
Museum für seine Dienste herzlichst zu danken. Das Original des Briefes ist abgedruckt bei Goldast, Bilibaldi Pirckheimeri
opera, Francoforti 1610, S. 401; die Datirung lautet: ex Nuremberga Kai. Dec. 1516.

2 Goldast, a. a. O., S. 202; vgl. die Nachweise unten bei der näheren Darstellung des Pirckheimerischen Antheils an
dem Project der Ehrenpforte.
 
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