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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0015
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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance.

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der Akrophonie die bisher gebräuchlichen Buchstabenzeichen; und diese selbst wieder, wie sie einfach
dastanden oder, zu Silben zusammengesetzt, besondere Formen angenommen hatten, erhielten sinn-
volle Nebenbedeutungen. Kurz die Schrift artete zu einer kabbalistischen Spielerei aus.

Aus dieser Zeit stammen die Berichte der classischen Schriftsteller und damals entstand auch das
Werk des Horapollon. Brugsch 1 gibt dafür mehrere Beispiele, von denen das aus dem letzten ge-
nommene hier wohl interessiren dürfte. Wie Pirckheimer richtig übersetzt, sollten nach Buch I, Cap. 12
der Scarabäus und der Geier den Vulcanus, umgekehrt der Geier und Scarabäus die Pallas bedeuten. Der
Scarabäus ist nun ein Deutzeichen des ägyptischen Ptah genannten Vulcanus, mit dem Beinamen Tan, der
Geier das der egyptischen Pallas oder Nit. Nach dem Gesetze der Akrophonie bedeutete schliesslich
der Scarabäus den anlautenden Buchstaben des von ihm versinnlichten Beinamens, also T, und der
Geier entsprach N. Da die ägyptische Schrift in der Regel nur die Consonanten bezeichnet, so erklärt

es sich, wenn nach Horapollon Hephästos durch die Hieroglyphen ^ T(a)n, Pallas durch ^

N(i)t wiedergegeben werden konnte.

Noch fehlt es an einer allgemein als richtig anerkannten Untersuchung des Horapollon gerade auf
diese Punkte hin; noch bilden sehr viele seiner dunkeln und sich auch widersprechenden Deutungen ein
ungelöstes Räthsel; aber andererseits vermehrte sich die Zahl der von ihm gedeuteten Schriftbilder
mit der stets sich erweiternden Denkmalkunde und haben sich viele seiner Erklärungen bestätigt. Stimmt
doch der durch Tzetzes überlieferte Hieroglyphenauszug2 aus den Sisävijia-;« töv kpwv Ypatj.ij.obwv des
der stoischen Philosophie ergebenen Hierogrammaten Chaeremon, der auch den Kaiser Nero unter-
richtete,3 in der Mehrzahl mit den von Horapollon gegebenen Deutungen! Wie aber dieser ägyptische
Priester mit seiner einheimischen Theologie griechische Philosophie verschmolz und in den Hiero-
glyphen eine allegorische Darstellung der physikalischen Bedeutung der Götter erblickte, so finden sich
in der lexikalisch-exegetischen Arbeit des Horapollon nicht nur rein äusserlich griechische Götternamen
und Verse des Homer sondern auch Erklärungen, die dem Aristoteles und Aelian entlehnt sind.4 Bei
einer derartigen in der alexandrinischen Gelehrtenschule vor sich gehenden Verbindung morgen- und
abendländischen Wissens brauchen also solche Stellen noch nicht von dem Uebersetzer Philippus ein-
geschaltet oder hinzugesetzt sein, wie in gleicher Weise auch eine Verwerthung der neuen alexan-
drinischen Zeitrechnung und Auffasssungen der gnostischen Schulen von dem ursprünglichen Verfasser
herrühren können.

Auch eine Stelle aus den Kirchenvätern wurde in Buch I, Cap. 14 gefunden, da sich erst bei diesen
die dort befolgte Eintheilung der Erde in 72 Landschaften und Sprachen findet, während es vorher
gebräuchlich war, 75 Theile anzunehmen.5 Hier scheint eher eine spätere Textveränderung vorzuliegen,
aber nicht seitens des Uebersetzers sondern aus einer noch späteren Zeit, wo das Christenthum nicht
mehr im Kampfe mit der egyptischen Theologie lag. Ein solcher ist aber vorauszusetzen, als der Text
des Horapollon aus dem Aegyptischen übertragen wurde. Philippus musste mit der hieratischen Schrift
■vertraut sein, in welcher Horapollon als Hierogrammat, als Eingeweihter in den Sinn der hieroglyphi-
schen »Gottesworte«, doch ihre das demotische Stoffgebiet, also die Alltäglichkeit keineswegs berührende
Uebersetzung sicher abgefasst hat, und er musste auch bei der griechisch redenden Bevölkerung noch
ein reges Interesse für Hieroglyphen erwarten. Das änderte sich Alles mit dem Zeitpunkte, von dem ab die
neue Lehre herrschte. Da hatte die griechisch-koptische Schrift ebenso das Hieratische wie das Demo-

1 Vgl. Brugsch, Aegyptologie, S. 4.

2 Vgl. Brugsch, Aegyptologie, S. 4. Lauth, Horapollon, in den Sitzungsberichten der kgl. bayrischen Akademie der
Wissenschaften, Jahrgang 1876, S. 67. Hier ist ein Auszug gegeben aus dem Aufsatz von Samuel Birch, übersetzt in der
Revue Archeologique, VIII. Annee, Troisieme Partie (Paris 1851), mit dem Titel: Fragments du livre de Cheremon sur Ies
hieroglyphes, p. 16 ff.

3 lieber Chaeremon und die Hypothesen Lauths vgl. E. Zeller, Die Hieroglyphiker Chaeremon und Horapollon, im
Hermes, XI. Jahrg. (1876), S. 43l.

4 Vgl. hierüber die eingehenden Untersuchungen Leemans in der Vorrede und bei den einzelnen Capiteln, a. a. 0.

' Leemans, a. a. O., S. 198. Die Zahl 72 findet sich bei dem Kirchenvater Epiphanius contra Haereses, lib. I tom. I
sect. 6, p. 6. Es hing dies wieder mit der Engellehre zusammen; vgl. Leemans.
xxii.

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