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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Weixlgärtner, Arpad; Giehlow, Karl: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0016
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Karl Giehlow.

tische verdrängt, da waren die Hieroglyphen der Obelisken selbst als Sitz der Dämonen verschrieen.1
Hätte also Philippus selbst diese ziffermässig genaue Aenderung der damaligen Patristik entnommen, so
wäre es sehr überraschend, wenn er ihren Inhalt bei der Uebersetzung nicht noch ausgiebiger heran-
gezogen hätte. Denn man denke, wie beflissen die junge Christenreligion war, jede heidnische Bedeu-
tung der Hieroglyphen zu verwischen! Wiederholt ist überliefert, dass die Hieroglyphen in Kreuzes-
form als Zeichen der Uroffenbarung bei der Zerstörung des Serapistempels gedeutet wurden.2 Ja, wie
diese als Symbol des künftigen Heiles galten, so entstand in diesen Zeiten der streitenden Kirche ein
Unterrichtsbuch, das absichtlich einzelne Hieroglyphen als Typen der neuen Heilslehre auffasst und
durch neue Bilder aus dem Naturreiche die jungen Dogmen einzuprägen sich befleissigt. Es ist dies der.
berühmte »Physiologus«, der, am Ende des II. Jahrhunderts in Alexandrien entstanden, zunächst den
Neophyten die hieroglyphischen Symbole zu ersetzen hatte und mit seinen didaktischen Tendenzen
sich beispiellos rasch verbreitete, um schliesslich in veränderter Gestalt ein Volksbuch des Mittelalters
zu werden.3 Nahe genug hätte es einem mit den Zahlangaben der neuen Lehre vertrauten Uebersetzer
des Horapollon damals liegen müssen, hieraus weiter christliche Anschauungen in die Hieroglyphika
zu übertragen. Aber davon nicht eine Spur; auch die gnostischen Anklänge sind frei davon! Da
scheint die Zahl 72 sich später beim Abschreiben eingeschlichen zu haben.

Es drängt sich also die Vermuthung auf, ob vielleicht zur Zeit der Gnosis, etwa zu Ausgang des II.
und nicht, wie bisher angenommen wurde, des IV. Jahrhunderts, Horapollon die Hieroglyphika verfasst
hat. Sein auffälliges Schweigen über die phonetischen Hieroglyphen erklärt sich einfach dadurch, dass
die symbolischen Hieroglyphen im Unterrichtsgange des Hierogrammaten eine besondere, und zwar
die letzte Stufe bildeten. So beschränkt sich Chaeremon in seinen Didagmata nur auf diese. Ein ähn-
liches Unterrichtsbuch, besonders über die änigmatischen Hieroglyphen 4 mit eingehender Berücksichti-
gung der gleichzeitigen Naturphilosophie, könnten daher auch Horapollons Hieroglyphika abgegeben
haben. Doch das vermag die Fachwissenschaft allein zu entscheiden.

In dieser herrschen über die Person des Autors wie des Uebersetzers die gleichen Dunkelheiten.
Fest steht nur, was die Ueberschrift besagt, dass Horapollon den Beinamen Nilous trägt und der Ueber-
setzer Philippus heisst. Von dem Letzteren schweigt jede Ueberlieferung. Dagegen hat man versucht,
den Ersteren mit den im Lexikon des Suidas genannten Horapollines in Verbindung zu bringen, von
denen der eine, aus Phenebytis in Aegypten gebürtig, unter Theodosius (IV. Jahrh. n. Chr.), der
andere, ebenfalls ägyptischer Abstammung, unter Zeno (V. Jahrh. n. Chr.) lebte. Aber gegen den Ersten
spricht der verschiedene Geburtsort5 und, selbst wenn NstXöo? gleich NstXato? nur in gewählterer Form
soviel als Aegypter bedeuten sollte, das Fehlen der Hieroglyphika in dem von Suidas überlieferten Kata-
loge seiner Schriften und gegen den Zweiten die späte Zeit. Schon Eusebius (Wende des III. und
IV. Jahrh. n. Chr.) rühmt, dass fast ganz Aegypten dem Herrn diene 6; schwerlich hätte eine so heidnische
Abhandlung wie die des Horapollon ein Jahrhundert später noch Interesse bei den christlichen Griechen

1 Vgl. den Brief des Julianus Apostata an die Alexandriner über die Auslieferung eines in Alexandrien befindlichen
Obelisken, abgedruckt bei Muratori, Anecd. graec, Patav. 1709, p. 326; und Fabricius, Bibl. Graeca, tom. VII, p. 84. Darüber
ausführlich Zoega, De origine et usu obeliscorum.

2 Vgl. Rufinus, Historiae ecclesiasticae libri XI, Bd. II (Romae 1741)1 üb. XI, Cap. XXIX; Socrates Scholasticus, Eccle-
siastica historia, ed. Robertus Hussey (Oxonii 1853), tom. II, lib. V, cap. XVII, p. 608.

3 Vgl. Goldstaub und Wendriner, Ein Tosco-Venezianischer Bestiarius (Halle 1892), S. 5, Anm. 2 und 3, über
Laudiert, Die Geschichte des Physiologus (Strassburg 1884), wo nur die positive Tendenz des Physiologus, die jungen Dog-
men zu stärken, hervorgehoben wird.

4 Die berühmte Stelle des Clemens Alexandrinus (in den Stromata, lib. V) schildert den Lehrgang des Hierogrammaten
derart, dass er zuerst die Briefschrift, dann die hieratische, schliesslich die hieroglyphische zu erlernen hatte. Diese zerfiel
in. die kyriologische (Buchstaben-) und symbolische Schrift, welche wieder in einfache Bilder, in tropische und in änigma-
tische (seara nvas aiviy[j.ou?) Schrift zerfiel. Vgl. die Ausgabe von Potter (Oxonii 1755) II, p. 657.

5 Vgl. Parthey, Horapollo von den Hieroglyphen, in den Monatsberichten der kgl. preussischen Akademie der Wissen-
schaften aus dem Jahre 1871 (Berlin 1872), S. III. Darnach bedeutet Nilous die Abstammung aus der Stadt Nilus oder
Nilopolis in der Heptanomis.

* Eusebius, De evangclica praeparatione, lib. III, cap. II.
 
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