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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Weixlgärtner, Arpad; Giehlow, Karl: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0116
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I IO

Karl Giehlow.

Dagegen stellte sich beim Vergleich mit den auf den Obelisken und anderweit erhaltenen Hiero-
glyphen die sehr geringe Anzahl der von Horapollon besprochenen Bildzeichen heraus und ergab
eine Combination mit den Nachrichten der anderen Autoren, dass selbst die von ihm erklärten Hiero-
glyphen nicht einmal alle angeblich den Aegyptern geläufigen Deutungen enthalten. So musste es
bald auffallen, dass Horapollon z. B. bei der Biene die ihr von Ammianus beigelegte Bedeutung als
König und beim Hasen Plutarchs Erklärung als Gehör bei Seite lässt u. s. w. Obwohl die spärlichen
Nachrichten der griechischen und römischen Schriftsteller die Vermuthung weckten, dass sie nur wenig
in die Geheimnisse der ägyptischen Wissenschaften eingedrungen gewesen wären, da sie sonst sich
nicht so ausgeschwiegen hätten, waren doch die Humanisten zu stark in einem blinden Autoritäts-
glauben befangen, als dass sie daraus Zweifel an die Richtigkeit einer der von einander abweichenden
Erklärungen abgeleitet hätten. Sie Hessen in der Regel alle die verschiedenen Deutungen, welche eine
Hieroglyphe in der classischen Literatur nur erfahren mochte, nebeneinander bestehen und rechneten
nur ihr Fehlen den Hieroglyphica als Fehler an.

Daraufhin konnten sich aber Stimmen erheben, welche für den zu Zeiten des Theodosius lebenden
Horapollon des Suidas die Compilation der Hieroglyphica in Anspruch nahmen. Doch blieb unter den
Humanisten solche Meinung immer vereinzelt. Eher annehmbar erschien der Gedanke, dass Philippus
nur »satis curiose« die einzelnen Hieroglyphenfragmente »ex hieroglvphico literarum Aegyptiarum
interprete, cui Horapollinem nomen faciunt« gesammelt habe. Es ist dies die von Pierio Valeriano ver-
tretene Ansicht.1

Die Vorwürfe einer allzu summarischen Arbeitsleistung auf dem vielversprechendsten Gebiete
mussten sich dem Philippus gegenüber noch steigern, je mehr die Humanisten zu der oben geschilderten
Ueberzeugung gelangten, dass Alles, was in der griechischen und römischen Literatur nur »aliquid
Aegyptiacum sapere« schien, auch in dem engen Bilde der Hieroglyphen zusammengefasst worden wäre.
Wie sie dadurch immer weiter in dem Glauben sich bestärkt fühlen, dass unzählige Schätze des Wissens
in den hieroglyphischen Zeichen schlummerten, erschien es um so bitterer, dass die Oberflächlichkeit
eines Uebersetzers ihnen nun den Einblick erschwerte.

Dass bei diesen Erfahrungen sich die Skepsis regte, ob je einmal die Hieroglyphen entziffert
würden, nimmt nicht Wunder. Die Zweifel mehrten sich, je weniger Hilfe man in dieser Hinsicht von
der antiken Symbolik sich versprach; sie verringerten sich, je mehr diese mit den Hieroglyphen identi-
ficirbar schien. Dabei erging es den Humanisten wie Jedem, der ein Räthsel zu lösen sucht und bereits
Grund zu haben glaubt, Einzelheiten richtig zu deuten. Er mag schliesslich an einer Auflösung ver-
zweifeln; der Reiz, es von Neuem mit dem Rathen zu versuchen, wird ihn innerlich nicht verlassen.
Und kannten doch die Humanisten etwas von dem Geheimnis der ägyptischen Hieroglyphen, in denen
thatsächlich die Wortzeichen zuerst determinirend und dann selbständig eine immer grössere Rolle ge-
spielt haben? Dieses Wahre in allen ihren Träumereien war es, das ihren Geist trotz aller Zweifel
immer von neuem der ägyptischen Sphinx zuführte.

So erging es auch Fra Urbano, der sich nicht verleiten Hess, seine Gelehrsamkeit zu willkürlichen
Deutungen ganzer Obeliskeninschriften zu missbrauchen. Zweifelnd widerstand er der Versuchung,
sich mit Kenntnissen zu brüsten, die er durch uncontrolirbare Erfahrungen auf seinen weiten Reisen
so gut in den Augen seiner Zeitgenossen hätte rechtfertigen können. Trotz eines ganzen den hiero-
glyphischen Studien gewidmeten Lebens gesteht er, ein echter Gelehrter, paar Jahre vor seinem Tode
(1524) ein, dass er nichts habe, was ihn auf dem Gebiete der Hieroglyphen befriedigen könne; trotz
ihres Studiums in ihrem Heimatlande, trotz des fleissigsten Durchforschens der Schriftsteller habe er
ausser einigen unbedeutenden Winken nirgends eine wirkliche Interpretation gefunden.

Dieses Geständnis, das sich die Zukunft und besonders Athanasius Kircher hätte zu Herzen
nehmen sollen, macht er bei Beginn einer denkwürdigen Unterredung mit Daniele Rinieri und dessen

1 Vgl. Hieroglyphica, p. 125. Auf p. 233 bezeichnet Fra Urbano das Werk des Horapollon derart: »Niliaci opusculum,
in quo talia promittuntur, lemmata summatim quaedam attigerit atque ea, qualiacumque sint, in manus nostras corruptissima
pervenerint.«
 
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