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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0118

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I I 2

Karl Giehlow.

Schrift. Gerade die von Letzterem durchgeführte Gleichstellung der biblischen Sinnbilder mit den
Hieroglyphen findet den Beifall der Zuhörer. Fra Urbano, der hierbei offenbar seinen Florentiner Ein-
drücken folgt, rechtfertigt dieses Vorgehen noch besonders mit dem Hinweise auf die Apologie des
Cyrillus, worin der Vorwurf Julians Apostata, dass Moses Räthsel, aber nicht klare Worte lehre, durch
die entsprechende Sitte der alten Weisen, mit Hieroglyphen zu schreiben oder in pythagoreischen
Symbolen zu sprechen, entkräftet wird.1

Diese Bezugnahme auf Cyrillus im Munde des Franciscaners verlockt zu einer geschichtlichen
Gegenüberstellung. Als dieser Erzbischof von Alexandrien seine Bücher gegen Julian dem Kaiser
Theodosius widmete, der durch seine Bekehrung dem Heidenthum den letzten Stoss versetzte, trium-
phirte die christliche Symbolik vollständig. Die auf den Obelisken und an den Tempelwänden er-
blickten Hieroglyphen galten, soweit ihnen nicht durch den von den Kirchenvätern damals bereits oft
citirten »Physiologus« ein neuer christlicher Glaubensinhalt gegeben war, als Sitz von Dämonen oder,
wie Cyrillus sagt, als Zeichen einer »abstrusa quaedam scientia«.

Trotz dieser wegwerfenden Bemerkung beachtet aber der Humanismus, selbst im Mönchs-
gewande eines Fra Urbano, nicht die tiefe Geringschätzung, die der Kirchenschriftsteller den Hiero-
glyphen entgegenbrachte; durchdrungen von der Bewunderung, welche die classische Welt der ägyp-
tischen Weisheit zollte, legt Fra Urbano nur Gewicht auf das Zugeständnis der Aehnlichkeit der bibli-
schen Symbolik mit der ägyptischen. Während aber Cyrillus dies nachmachen musste, um daraus ein
Rechtfertigungsmittel für die erstere zu schmieden, dient Fra Urbano diese Stelle lediglich zur weiteren
Stütze dafür, dass die Bildersprache der heiligen Schrift ihre antike Analogie in den Hieroglyphen besitze.

Schon oben bei Besprechung der Hieroglyphik der Medaillen des Quattrocento wurde die Ent-
wicklung dieser Auffassung beobachtet; klipp und klar ausgesprochen findet sie sich auch bei Pierio Va-
leriano, der hier sicher seinem Onkel folgte. Denn er bezeichnet und verwendet als Hieroglyphen nicht
nur die christlichen Sinnbilder, welche — soweit sie sich durch den »Physiologus« verbreitet hatten
— ihm weniger aus griechischen Handschriften und volkstümlichen Bearbeitungen als den Citaten
eines Origines, Augustinus, Albertus Magnus u. s. w. geläufig gewesen zu sein scheinen, er führt sie
auch ausdrücklich auf den Horapollon als ihre ägyptische Quelle zurück. So äussert er die Ansicht,
dass früher der Geier und nicht der Pelikan als Symbol des Erbarmens gegolten habe, weil in den
Hieroglyphica nur der erstere Vogel sich die Schenkelwunde beibringe, um seine Jungen zu retten.

Man könnte hier vermuthen, dass eine solche Kritik, die gelegentlich auch den Angaben eines
Albertus Magnus gegenüber Zweifel zu hegen wagt, sich gegen die dogmatische Bedeutung der Sinn-
bilder des Physiologus gerichtet hätte; im Gegentheil, dem Valeriano dienen die im Horapollon er-
haltenen, verwandten Züge dazu, die kirchliche Lehre zu stärken. Ganz im Sinne der mittelalter-
lichen Beweisführungen erblickt der Schüler Fra Urbanos in der Exegese des Horapollon zu der Hiero-
glyphe des Geiers als Zeichen für Mutterschaft — vgl. IIb. I, cap. XI im Anhang III — ein weiteres
»defensorium virginis Mariae«.2

1 Cyrilli, Alexandrini archiepiscopi, opera, ed. Joannes Aubertus, i638. Im neunten Buch »contra Julianum« heisst es in
der Uebersetzung des Jean Aubert: »ajunt fuisse inter idolorum cultores aenigmatum artifices adeoque in iis figendis industria
et arte praeditos, quos vulgo nominant hieroglyphos. Hi in templis et obeliscis literas incidentes nostris non utebantur, sed
aliis figuris rerum naturas efformantes abstrusam quandam scientiam sapientioribus ingerebant.« Dann folgt das dem Plutarch
entlehnte Beispiel vom Auge und Scepter als Hieroglyphe für »deus«, die »aspis» für »coelum«, die »serpens« für Zeit und
die »craficula, in qua accensus erat ignis, corde appenso« für »ira«. Weiter spricht er von Pythagoras und zählt eine Reihe
von Beispielen seiner Aenigmata aus der Geschichte der Philosophie des Porphyrius auf. Dabei sagt er: »An ergo, si quis
in hieroglyphicas literas aut aenigmata Pythagorica oculos adjecerit, . . . intelligat igitur se violare legem, nisi jus idem
statuere velit in se quod in alios.« Ueber diese Gleichstellung der Hieroglyphen mit der biblischen Symbolik spricht Fra Urbano
a. a. O., p. 234H': »Cyrillus libro nono Apologiae, qua .luliani Apostatae maledicta cavillationesque m pietatem nostram refellere
aggressus est, ubi ille Moseos aenigmata reprehendit, qui verbis, non occultis rerum involucris humanum genus erudire
debuisset, is omnes qui antiquitus habiti sapientes hujusmodi institutionis genere usos indicat; cumque Aegyptios memorat,
eos dicit per oculum et adjectum seipionem . . . Deum intelligere voluisse.«

2 Vgl. über den Geier den dem Cornelius Musaeus, Praesul Bitontinus, gewidmeten Commentar der »Hieroglyphica«^
p. i3off. Auf p. 133: »Sane vero factum hinc crediderim, ut majores nostri ... alitem hanc (vulturem) non autem pele-

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