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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0119
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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance.

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Je weiter eine derartige Identificirung der Hieroglyphen mit der biblischen Bildersprache Platz
griff, desto mehr mussten wieder die von den kritischeren Gelehrten ausgesprochenen Zweifel an einer
Deutung der Hieroglyphen verschwinden. Selbst der Neffe Fra Urbanos sollte an sich diese Wirkung
spüren. Kein Wunder, dass die neuen Hoffnungen die weitere Ausbreitung der Hieroglyphenkunde
fördern und diese gerade unter den Jesuiten die allzukühnen Jünger findet.

Andererseits aber brachte das damit Hand in Hand gehende »hieroglyphische Schreiben« es
mit sich, dass sich unter den Schutz dieser Ausdrucksweise auch alle diejenigen flüchten, welche etwas
nicht offen und frei herauszusagen wagen. Sie bot Dunkelheiten genug, um entsprechende Gedanken
zu verhüllen. Hätte sich der alte Cyrillus es wohl je träumen lassen, dass sein kurzer Streifblick auf
die ägyptische Symbolik dem Humanismus eine Handhabe bieten sollte, die Hieroglyphen wieder zu
beleben, an deren Verdrängung Generationen vor ihm gearbeitet hatten, und dass dadurch einer Form
der Kunst und Poesie Vorschub geleistet wurde, in der sich ähnliche, ketzerische Gedanken wie die von
ihm beim Apostata bekämpften leicht zu verbreiten vermochten?

Man sollte meinen, dass, wenn in einem Humanistenkreise Italiens der Gedanke auftauchen Die
konnte, eine Mustersammlung hieroglyphischer Bilder für die Künstler in Versen herauszugeben, dies ler°f^p °*'
in dem eben geschilderten venezianischen Gelehrtenzirkel hätte geschehen müssen. Gerade in Pierio Pien0 Valenano

a Bolzanio

Valeriano vereinigte sich Alles, was solchen Plan hätte zeitigen können. Seit der Jugendzeit auf das ein Lebenswerk.
Studium der Hieroglyphen gewiesen, mit dem Inhalt der Hypnerotomachie und der Hieroglyphica
des Horapollon von den Tagen der Drucklegung bekannt, durch eigene Entdeckungen auf hiero-
glyphischem Gebiete zu neuem Eifer angespornt, verband er mit diesen ägyptologischen Interessen ein
bedeutendes dichterisches Talent. In derselben mühelosen Weise flössen ihm die lateinischen Verse im
Auftrage eines Mäcens zur Verherrlichung eines geistlichen oder weltlichen Themas aus der Feder, wie
es ihm Bedürfnis war, sein Freud und Leid dem classischen Versmaass anzuvertrauen. Nicht minder
als Poliziano und Crinitus wird er unter dem Eindruck des ausserordentlichen Reichthums an Sinn-
bildern, den die hieroglyphischen Studien boten, sich als Dichter beglückwünscht haben, damit seinen
Versen den gewünschten Bilderüberfluss geben zu können; und oft genug hat er versichert, welche
Vortheile er sich daraus für die bildende Kunst versprach.

Trotzdem machte Valeriano nicht den Schritt, von dem die Emblematik als eine bestimmte Form
künstlerischer Ausdrucksweise sich herleiten lässt, trotzdem sollte sein Riesenwerk über die Hiero-
glyphen erst zu einer Zeit erscheinen, als es bereits Jahrzehnte üblich war, Emblemata zu dichten und
zu malen. Man ist ihm offenbar zuvorgekommen. Von dem Wunsche beseelt, die Lücken der Hiero-
glyphika des Horapollon durch die ihm sonst zugängliche Allegorie und Symbolik auszufüllen, hatte
sich Valeriano ein schier unendliches Thema gestellt, dessen Abschluss sich von Jahr zu Jahr verzögern
musste. Die »dignitas«,1 die Erasmus den hieroglyphischen Studien beigelegt hatte, wird ihn abgehalten
haben, vor einer würdigen Beendigung seiner Arbeit der dabei empfundenen »voluptas« in Versen Aus-
druck zu geben. Als dann sein Werk endlich so weit gediehen, war es zu spät.

Darum sind die »Hieroglyphica« des Valeriano keineswegs ein Ergebnis dieser »emblematischen«
Strömung; vielmehr hat umgekehrt ihr Autor durch seine Persönlichkeit ihren Lauf ganz bedeutend
beeinflusst. Unmittelbar an die »commentaria de antiquitatibus« des Nanni da Viterbo und die
Hypnerotomachie des Francesco Colonna reihen sich die »Hieroglyphica« des Pierio Valeriano als
selbstständige Fundgrube für die Folgezeit. Gerade wie diese beiden Vorarbeiten sind sie ein Lebens-

canum in sacrosanetae crucis apicem ea femorum vellicatione spectandum popularium omnium oculis erexerint ... nusquam
apud antiquissimos rerum scriptores, qui saxum hoc evolverunt, legimus avem aliam quam vulturem femorum suorum
vellicatu pullos suos pascere consucsse«; auf p. i32 der Abhandlung über den »vultur« als »mater sive naturae genius«
die Worte: »esto igitur vultur documentum nobis, ne mysterium illud sacrosanetum, unde vera salus veraque felicitas
nobis obtigit, fabulosum fuisse vel minimum quidem suspicari unquam in animum inducamus«. Eine Kritik über Albertus
Magnus befindet sich p. 8'. Dieser leugnet, dass die Löwen »febriculosi« seien, Valeriano glaubt es auf Grund des Horapollon.

1 Vgl. Hieroglyphica: Ad illustrissimum Cosimum Medicem epistola nuncupatorla, p. *3": »Nam de praesentis argumenti
vel oblectatione vel utilitate, quam earum rerum explicatio et cognitio affert, si velim pro dignitate dicere, nullus unquam
exitus reperietur.«

XXII. !5
 
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