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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Weixlgärtner, Arpad; Giehlow, Karl: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0120
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Karl Giehlow.

werk, in dem die verschiedenen Zeiten der Entstehung wieder deutlich zum Ausdruck kommen. Da
es aber nicht als zusammenhängendes Ganzes niedergeschrieben sondern aus einzelnen, besondere
hieroglyphische Bildgruppen behandelnden Commentaren zusammengesetzt ist, lässt sich leichter seine
Entwicklung verfolgen, zumal Pierio die verschiedenen Aufsätze Freunden und Gönnern widmet und
dabei auf manche datierbare Erlebnisse und Ereignisse anzuspielen pflegt.1 Darnach fällt die Abfassung
eines grossen Theiles der Commentare noch vor dem Sacco di Roma. Kurze Zeit nach dem Tode
Leos X. geschrieben, bieten besonders diese ein lebendiges Bild aus der Cultur der Renaissance in ihrer
Sonnenhöhe.

Abgesehen von der oben wiedergegebenen kurzen Bemerkung des Gregorovius, hat man jedoch
dem Werke als Mittel zur Erkenntnis des humanistischen Denkens wohl kaum Aufmerksamkeit ge-
schenkt.2 Der Misscredit, in dem sich die Aeusserungen der vorchampollionischen Hieroglyphenkunde
befanden, war der Grund dazu, obwohl Leemans in seiner Horapollonausgabe oft Gelegenheit nimmt,
die tüchtige philologische Arbeit zu verwerthen, welche Pierio, als ein würdiger Schüler seines Onkels,
der Emendation des Horapollontextes zugewendet hat.3 Es bilden daher seine »Hieroglyphica« ein
so gut wie unerschlossenes Gebiet für die Geschichte des Humanismus, dessen gründliche Ausbeutung
weit über die Grenzen dieser Arbeit gehen würde. Die ausserordentliche Reichhaltigkeit des Werkes
an Beschreibungen von Marmorwerken, Bronzen und Münzen sowie der Abdruck zahlreicher In-
schriften dürfte durch die Nennung ihres damaligen Besitzers und Aufenthaltsortes noch jetzt die
einzelnen Fachwissenschaften interessiren ;4 für die Erforschung der Renaissanceallegorie — Allegorie
hier im weitesten Wortverstande als eine Andeutung der Begriffe durch Bilder genommen •— kann
man sogar die Arbeit des Valeriano als eine Quellenschrift ersten Ranges bezeichnen. Denn bei der
oben angedeuteten Art ihrer Entstehung spiegeln sich in den Commentaren und besonders ihren
Widmungen alle die hieroglyphischen Interessen der Kreise wieder, in denen sich Pierio sein ganzes
Leben bewegte. Dazu gehörten aber Männer, welche als Berather, Gönner und Förderer von Künstlern
den allegorischen Gehalt der Kunstwerke so oft beeinflussten. Um daher zu ermessen, wie sich Pierios
Begeisterung für das ägyptische Wissen direct im persönlichen Verkehr oder durch seine Freunde den
Künstlern mittheilen und so auf die Bildung neuer Allegorien wirken konnte, lohnt sich hier wohl ein
kurzer Ausblick auf den Verlauf seiner den »Hieroglyphica« gewidmeten Studien.
PierioValerianos Als Giovan Pietro della Fosse im Alter von 16 Jahren 1493 aus Belluno nach Venedig kam, er-

vorbercitendc öffnete sich ihm als Neffen Fra Urbanos sofort der Zutritt in die Kreise der geistigen Elite. Die Mit-
Studien für die .je£jer auinischen Akademie wurden seine Lehrer; Sabellico war es, der, dem üblichen Brauch ent-

»Hieroglyphica«. D 771

sprechend, seinen Namen Pietro in Pierio umwandelte. Wie ihn sein Onkel in die ägyptologischen
Studien einführte, wie ihn Laskaris darin bestärkte, wie er voll von diesen Eindrücken zu Leonico

1 Vgl. den Brief des Pierio Valeriano an Egidio da Viterbo in den Hieroglyphica, p. 123: »ne uno continenter libro
complexa (argumenta) odiosum ob rerum multitudinem volumen efficiant, amicos mihi quosdam designavi, quorum hortatu
modo hoc, modo illud a mc conscriptum esset.«

2 Vgl. oben, S. II, und unten die Ausführungen über die Hieroglyphenkunde Fischarts.

3 Vgl. Leemans, Horapollinis Niloi Hieroglyphica, Amstelodami i835- In der adnotatio zu lib. I, cap. LXV, p. 293 die
Worte über Pierio Valeriano: »Codd. nonnullorum et Edd. lectionem xoü tpp.ou vitiosam esse jam indicaverat Pierius Hierogl.
Lib. XXXV veram scriptionem tou lofov conjectura jam assecutus« und zu lib. II, cap. XXIX, p. 325: »ypctp.fj.aTa ?jrr« h Suoi
oa/.TÜXoi?] Ita Mercerus jam legendum conjecit pro eo, quod est in Aldina rcpayp.ara eamque lectionem in codicibus plurimis,
Vaticano, ut docet Pierius Hierogl. XLVII«. An dieser Stelle (p. 34g) äussert sich Valeriano folgendermassen: »in quo
advertendum, vulgatos Hori Codices foede depravatos circumferri, qui 7tpayu.aTa Septem, non ypäp.pLaTa habent. Cur vero nos
Vaticanae bibliothecae codicem, in quo ypctp.p.aTa ijcti, non 7tpayp.ara scriptum est, castiorem judicaverimus«. Vgl. über den
Vaticanischen Codex oben, S. l3 und 14.

4 Ueber die Herculesstatue aus Bronze auf dem Capitol vgl. z. B. die Widmung des lib. LIM an den Aloisius Priuüus
Patritius Venetus: »Heri, Priulle doctissime, cum veterum signa quaedam singulari opere artificioque perfecta hic et illic in-
specturi per urbem equitaremus multisque praeteritis Capitolium demum inscendissemus, Herculis ibi Signum summae nobili-
tatis ex aere conspectum est«; über einen Marmor mit Inschriften und Abbildungen von römischen Feldzeichen »apud Pau-
lum Cardinalem Caesium« vgl. p. 3l8T; über römische Inschriften zu Ravenna vgl. p. 272, 3oo'p; über eine Gemme bei
Agnelo Colocci vgl. p. 238 v u. s. w. Das Urtheil Winkelmanns in seinem »Versuch einer Allegorie« fallt über Pierio Valeriano
zu hart aus. Voreingenommen gegen die zeitgenössische Behandlung der Hieroglyphen scheint er sich in den Inhalt der »Hiero-
glyphica« nicht näher vertieft zu haben.
 
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