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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Weixlgärtner, Arpad; Giehlow, Karl: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0143
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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance. 1^7

sei es, dass sie malen, bildhauern, giessen oder treiben, sei es, dass sie für Waffenschmiede, Weber,
Tischler oder Töpfer Zeichnungen entwerfen, legt er den Bilderreichthum der Hieroglyphen ans Herz.

Anstatt Schöpfungen der ungebundenen, künstlerischen Phantasie verlangt Fasanini Gedanken,
anstatt naiv der Natur und dem Leben entlehnter Formen fordert er Bilder, die Worte und Sprüche
verkörpern. Das Dogma einer ägyptischen Kunstauffassung kommt hier klar zur Erscheinung. Und damit
steht der bolognesische Professor nicht allein da! Eine ganze Schaar Gleichgesinnter weiss er hinter
sich, wenn es im Anschluss an die vorigen Worte weiter heisst: »ut sunt, qui symbola sibi Amasiaeque
suae dumtaxat communia sortiri volunt quique notis litterarum novis, quae amicis tantum pateant, cae-
teris vero incognitae sint, uti gaudent«. So waren in St. Justina zu Padua die hieroglyphischen Fresken
entstanden, so verlangte Mellini gelehrten Rath von Valeriano und mitten dazwischen, fast zur Zeit
der Niederschrift der Worte Fasaninis, entwirft Raffael die Fresken der Loggien des Vaticans — in
reiner Freude über die geistreichen Künstlerlaunen der antiken Grotesken. Man sieht, wie verschiedene
Kunstanschauungen damals mit einander ringen, und erkennt die Keime, aus denen sich die Emble-
matik entwickelt.

Von dem Wunsche beseelt, die Hieroglyphen heimisch zu machen, geht Fasanini noch weiter.
Er gibt den Rath, sie als Geheimschrift zu verwenden. »Si commode,« schreibt er darüber, »aenigmata
hujusmodi figurasque adhibere in epistolis poterunt, quicunque ab eruditis dumtaxat scriptionem
suam intelligi cupient, mihique aliquid et Horo hac in parte accaeptum referent.« Als eine nur den
Gelehrten verständliche Schrift stellt er hier offenbar die Hieroglyphen in Gegensatz zu den »cifre
non figurate» genannten Chiffriersystemen, über deren Anwendung im praktischen Leben gerade der
Abt Trithemius Aufsehen erregende Bücher veröffentlicht hatte, und zu »cifre figurate«, den auf
Gleichlaut beruhenden Bilderräthseln, die sich damals wieder besonderer Beliebtheit erfreuten.1

Zu derselben Zeit macht aber Fasanini diese Propaganda für das hieroglyphische Schreiben, als
die deutschen Humanisten den Panegyricus auf ihren Kaiser aus den Bildern des Horapollon zusammen-
stellen. Das ist wichtig, schon hier zu betonen. Es war eben damals allgemeine Ueberzeugung der
Gelehrten, dass man sich ebensogut wie die Aegypter durch ihre ideographische Schrift verständigen
könne.

Und wem verdankte der bolognesische Professor ein solch' festes Vertrauen in ihre praktische
Verwendbarkeit? Offenbar demselben Geiste, der ihn auf die Eignung der Hieroglyphen zum Schmucke
aller möglichen Dinge in jeglicher Technik hingewiesen hatte. Unwillkürlich vermuthet man Francesco
Colonna, der ja Hand in Hand mit Horapollon zu gehen pflegt. In der That kannte Fasanini die
Hypnerotomachie. Wenn nicht schon früher, so sicher durch Erasmus' Adagien darauf aufmerksam
gemacht, hat er Colonnas hieroglyphische Inschriften nicht nur gelesen und studiert, sondern besonders

1 Ueber den damals herrschenden Gebrauch von Geheimschriften äussert sich Fasanini im Anschlüsse an die Vorliebe
für Symbole mit den Worten: »nara et illorum usus, cum parentum nostrorum memoria frequens fuerit, hac quoque tem-
pestate secretioribus in rebus a plerisque adhibetur«. Eine umfassende Uebersicht über die im XVI. Jahrhundert gebräuch-
lichen Chiffren gibt M. Gio. Andrea Palazzi in seinen >discorsi sopra l'imprese recitati neU'Academia d'Urbino (Bologna 1575,
p. 46 ff.) Er unterscheidet >zifre d'atti, di parolec und »per la materia«; diese letzteren trennt er wieder in »figurate«! und
»non figurate«. Als Fachschriftsteller über das Schreiben mit Chiffren nennt er p. 50 ausser Abbate Tritemio noch Belasio
Porta und Monsignor di Pola und führt als Beispiel der letzten Art unter Anderem das Figurenräthsel an, das durch einen
Diamanten, den König Midas und den Tod den Satz »diamante mi da morte« darstellte, in Anspielung auf eine geliebte Dame,
die Diamante hiess. Derartige Räthsel gibt auch Lodovico Domenichi in seinem »ragionamento, nel quäle si parla d'imprese
d'arme e d'amore« — vgl. darüber weiter unten —; so wurde das Wort Barbara durch einen Bart und halben Frosch
(barba-ra[na]) dargestellt, Caterina durch einen Kartenkönig — re, bolognesisch ausgesprochen ri — zwischen einer getheilten
Kette (cate-ri-na). Domenichi erwähnt ferner als derartige Schriftprobe eine Stelle aus Masuccio Salernitano, einem Nach-
ahmer des Boccaccio im XV. Jahrhundert, wo eine verlassene Geliebte ihrem treulosen Liebhaber einen Ring mit einem
Diamanten und der hebräisch geschriebenen Inschrift: »lama zabatani« schickt. Es bedeutet dies: »Diamante falso, perche
m'hai abbandonato:c Diese Geschichte, die bei Masuccio — vgl. die Ausgabe des Novellino, »•nel quäle si contengono
cinquanta novelle* (Veneria 1525), p. l36T — zur Zeit des Aufenthaltes König Rene's in Florenz spielt, ist später von
Rabelais in seinem Pantagruel, Üb. III, cap. XXIV, zu einer Satire über die Geheimschreiberei seiner Zeit verwerthet worden.
Soweit sich verfolgen Hess, entging die Abhängigkeit von einem italienischen Vorbild hier den Rabelaiscommentatoren.
Ueber die Sitte, mit Figurenräthseln zu schreiben, in Frankreich vgl. besonders unten die Hieroglyphenkunde des Geoffroy Tory.

XXXII. Ig
 
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