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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Weixlgärtner, Arpad; Giehlow, Karl: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0151
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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance. ^45

In dem obigen Verse wäre also eines der ersten Beispiele zu suchen, das die emblematische Poesie,
was ihren Inhalt und ihre Form betrifft, vollkommen ausgebildet zeigt. Doch muss man Bedenken
tragen, Alciat von dem Augenblick der Niederschrift an gleich den Begründer dieses Literaturzweiges zu
nennen. Denn hier handelt es sich bei der Auswahl der Hieroglyphen und ihrer Versificirung um einen
bestimmten Fall; dass ihm schon die Idee, den Künstlern damit ein allgemeines Muster zu geben, vor-
geschwebt habe, ist noch keineswegs festgestellt. Dem widersprechen vielmehr Alciat's obige Aeusse-
rungen, wonach diese der Emblematik wesentliche Tendenz sich nicht allein auf Grund eines Studiums
der Hypnerotomachie sondern auch des Horapollon entwickelt hat. Eine eingehende Kenntniss dieses
Schriftstellers besass er aber schwerlich in Pavia, als er den Wahlspruch in Hieroglyphen fasste, sodass
sich in ihm der Gedanke, seinen änigmatischen Poesien den Namen »Emblemata< zu geben und so be-
wusst den Zweck seiner Epigramme zu kennzeichnen, erst später entwickelt haben wird.

Freilich die Bedeutung des Wortes »emblema« hatten die juristischen Studien dem jungen Andrea,
als er Giasone hörte, näher gebracht, nachdem der Ausdruck »emblematura« ihm schon früher beim
Lesen der Hypnerotomachie aufgefallen sein wird.1 Gerade als er in Pavia begann, tiefer in das römi-
sche Recht einzudringen, verbreitete sich allgemein in der juristischen Welt das 1508 veröffentlichte
Werk Guillaume Bude's, die »Annotationes ad pandectas«. Alciat, der später mit diesem hervorragen-
den französischen Humanisten gut bekannt wurde, hat dessen Abhandlung sein ganzes Leben die
grösste Beachtung geschenkt und sich sogar an ihrer Verbesserung betheiligt. Damals war sie dem an-
gehenden Juristen das nachstrebenswertbe Muster. Sollte ihm also das eigene Studium der Digesten
das Wort »emblema« nicht bei der Einzelbestimmung über Legate (Dig. lib. 3$, tit. 2, lex 32) und bei
der Exhibitionsklage (Dig. lib. 10, tit. 4, lex 7) vorgeführt haben, so geschah das sicher in Folge der
Leetüre von Budaeus' Werk. Dort befindet sich zu den Worten der letzteren Stelle »vel ansam scypho
injunxeris vel emblemata phialae« ein ausführlicher Commentar.2

Danach versteht Bude zunächst unter »emblema« ein »vermiculatum opus ex tessellis insititiis
aptum atque consertum«, also eine musivische Arbeit, wie auch Colonna das Wort »emblematura« an-
wandte. Dann aber bedeutet es ihm einen an Gelassen angebrachten, abnehmbaren Metallschmuck,
über den er Folgendes sagt: »Emblemata etiam in vasis argenteis aureisque et Corinthiis ornamenta
erant apud antiquos, exemptilia, cum libitum erat, cujusmodi aetas ista non novit, ut arbitror.« Diesen
beiden Erklärungen, die auf Cicero zurückgehen, fügt er schliesslich noch eine Aeusserung des Fabianus
hinzu, welcher Citate als Schmuck der Rede mit »emblemata« vergleicht.3

Wie aus den oben abgedruckten Stellen erhellt, hat Alciat die klassische Bedeutung des Wortes
sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Sinn ganz erheblich erweitert. Als abnehmbarer Schmuck
sind ihm zunächst auch die getriebenen oder gegossenen Schilde, beziehungsweise Plaquetten aus Bronze
oder Edelmetall, mit denen die Mode damals Gewand und Hut zu schmücken pflegte, »emblemata«;
darunter versteht er weiter offenbar im Hinblick auf die Sitte, Bibliothekzeichen in Bücher einzukleben,
die eingedruckten Verlegersignete selbst und scheut sich nicht, in letzter Linie jedem malerischen
Schmuck, sofern er Gedanken hieroglyphisch wiedergiebt, dieselbe Bezeichnung zu geben. Seine Emble-
mata umfassen daher im eigentlichen Wortverstande jede Kunsttechnik, während sie metaphorisch nicht
nur bestimmte Redewendungen sondern auch die Epigramme selbst bedeuten. Ihrem Zweck entlehnte
Alciat ihren Namen.4

1 Vgl. oben, S. 79.

* Vgl. p. Cv in der hier benützten, bei Jodocus Badius 1526 erschienenen Ausgabe der »Annotationes in quattuor et
viginti pandectarum libros«. Dieser in der k. k. Hofbibliothek zu Wien befindliche Druck gehörte dem mit Rhenanus be-
freundeten Humanisten Joannes Brassicanus, der ihn mit Marginalnotizen versah. — lieber Alciat's Beziehungen zu Budaeus
vgl. sein Schreiben an Calvi aus Avignon vom 21. Januar 1520 — bei Gudius irrthümlich 1521.

3 Die von Budaeus herangezogenen Stellen befinden sich: Brutus, 79, 274; Lucilius apud Oratorem, 44, und in Verrem
act. 5, die des Fabianus im üb. II seiner Luctitatio oratoria; sie lautet bei Gelegenheit der »loci communes« in der Rede: »hoc adeo
manifestum est, ad forenses actiones pertinere, ut quidam nec ignobiles in offieiis civilibus scriptos eos memoriaeque diligentis-
simae mandatos in promptu habuerint, ut, quoties esset occasio, extemporales eorum dtetiones his velut emblematis exornarentur«.

* Soweit sich verfolgen ließ, machte Guillaume Roville in der Vorrede zu seiner lateinischen Ausgabe der Emblemata
1548, also noch zu Lebzeiten Alciat's, zuerst auf seine Abhängigkeit von Budaeus aufmerksam.

XXXII. IQ
 
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