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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Kenczler, Hugo: Zwei Altarflügel aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts in der kaiserlichen Gemäldegalerie zu Wien und im Rákóczi-Museum zu Kaschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0284
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Hugo Kenczler.

bindet sich, wie aus den städtischen Gedenkbüchern hervorgeht, die Malerinnung mit der Innung
der Tischler; sie muß also schon etwas früher existiert haben. Dokumente sprechen im Jahre 1385
von einem St. Martin-Altar und schon drei Jahre früher von einem Apostel-Altar in der Elisabeth-
kirche. Auch Meisternamen sind uns bekannt: 1400 wird ein pictor Lucas, zwischen den Jahren
i3g5—1405 werden fünf Maler mehrmals genannt. 1365 bestellt der Pfarrer von Lelesz bei dem
Kaschauer Bürger und Maler, wie es ausdrücklich heißt, Glasfenster für seine Kirche und am An-
fang des XV. Jahrhunderts arbeitet der Kaschauer Maler Gaspar «pictor comprobatus» ein Altarbild
für Nagy-Szöllös. Daß keine Denkmäler aus so früher Zeit erhalten sind, ist wahrscheinlich den
fürchterlichen Religionskämpfen, die hier getobt haben, zuzuschreiben. Im Jahre 1550 sind in der
Dominikanerkirche allein 16 Altäre zerschlagen und vernichtet worden, 1567 erlebten die Altäre
der Michaelskapelle dasselbe Schicksal. In der Elisabethkirche sind die Altäre durch die Feuers-
brunst des Jahres 1556 zerstört worden. Die Zahl der Malernamen und Werke, die gegenseitig
miteinander in Beziehung zu setzen leider noch nicht möglich ist, wachsen im dritten Viertel des
XV. Jahrhunderts enorm und aus dieser Zeit stammt der riesengroße Hochaltar der Elisabethkirche, ein
sowohl in seinen Schnitzfiguren wie in den Bildern — es sind deren 48 — grandioses Werk, das
nicht ohne eine vorhergehende Kunstübung entstehen konnte. Daß die Gemälde von Wohlgemut
stammen, ist ebenso eine Fabel wie die Behauptung, daß die Schnitzfiguren von Riemenschneidet'
herrühren. Die in überaus großer Zahl erhaltenen Denkmäler ähnlicher Art aus der Umgebung von
Kaschau — ich nehme die ganze östliche Hälfte von Oberungarn hinzu — lassen unbedingt auf
eine sehr reiche und ausgedehnte Kunstübung schließen. Aber namentlich in der außerungarischen
Fachliteratur ist von ihren Erzeugnissen nichts bekannt und auch in Ungarn fehlen zum Vergleich
sich eignende Publikationen oder Photographien. So muß ich von der Untersuchung absehen, ob
Elemente aus unseren Bildern, wenn auch vielleicht weiterentwickelt, in späteren Denkmälern vor-
kommen.

Für die Zugehörigkeit unseres Altares zum böhmischen Kunstgebiete sprechen aber außer den
schon angeführten stilistischen auch äußere indirekte Gründe. Die Geschichte der Stadt Kaschau
und Oberungarns weist nämlich ganz sichere Beziehungen zu Böhmen auf, die älter sind als unser
Altar und zur Zeit seiner Entstehung schon sehr fortgeschritten waren. Als man nach dem Aus-
sterben des Arpadschen Königshauses an die Wahl des neuen Königs ging, hat ganz Oberungarn
und auch Kaschau für das böhmische Königshaus Partei genommen, und da von einer anderen Partei
Karl Robert zum König erwählt wurde, Jeisteten die Kaschauer einen harten Widerstand, der eigent-
lich nicht gebrochen werden konnte. Schon damals war Kaschau eine aufstrebende Handelsstadt ge-
wesen, es blühten Handel und Gewerbe und nur durch die Erweiterung ihrer Handelsrechte,
was nur noch zu viel festerer Verknüpfung mit Böhmen führte, konnte der König die Stadt für
sich gewinnen. Diese Beziehungen mit Böhmen nahmen mit der Zeit eher noch zu als ab. Als
vom Hofe Karls eine ganz neue Bildung in Böhmen sich verbreitete und auf Grundlage dieser
Bildung die ganze böhmische Kultur sich erneuerte, drang diese neue Kultur auch nach Oberungarn
ein. Die feudalen Höfe, die mit den Großen des böhmischen Landes und wohl auch mit dem
Königshause in persönlicher Verbindung standen, waren direkt gezwungen, sich die in Böhmen
herrschenden Manieren — das Wort in weitestem Sinne genommen — anzueignen. Die hohen
Geistlichen, die mit diesen Herrschaften zusammenhielten, nahmen diese Bildungselemente ebenfalls
an. Der Boden wurde langsam für die Wandlungen auch in der Kirchenlehre vorbereitet. Als
nach dem Tode Ludwigs des Großen Königin Maria sich das Land nicht anders sichern konnte als
durch ihre Heirat mit Sigismund, dem Sohne des böhmischen Königs und Kaisers Karl IV., des
eigentlichen Begründers der Kunstblüte in Böhmen, wurde dieser Kultureinfluß aus Böhmen enorm.
In den königlichen Hof selbst drang viel Böhmisches ein; in Oberungarn, wo durch die ver-
breitete slowakische Sprache ein direkter schriftlicher und mündlicher Verkehr möglich war, stieg der
böhmische Einfluß immer mehr. Das kirchliche Denken in Oberungarn war ziemlich umgestaltet,
der Hussitismus drang rasch und tief ein, man brauchte später Jahrzehnte zu seiner Ausrottung,
 
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