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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0318
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3o6

Friedrich Winkler.

übrigen — oft in kleinerem Format — auf den folgenden Blättern anschlössen. Nun ist gerade der
Johannes auf Patmos nicht von E, sondern von Meister C geschaffen, derselbe wenig bedeutende
Meister schuf auch die Madonna in Halbfigur auf fol. 24. Beide Bilder befinden sich auf Blättern von
schwarzem Pergament. Zumal die Madonna scheint mit dem Text darunter durch silberne Schnör-
kel eng zusammenzuhängen. Ebenso darf man vermuten, daß die Verkündigung des weiterhin nicht
nachweisbaren Meisters B auf fol. 19' schon vor E's Ergänzung in dem Gebetbuche war. Der Kalender
ist prächtig in Gold und Silber auf Schwarz geschrieben, seine Randleisten mit den Monatsbildern und
Zeichen des Tierkreises sind aber zweifellos von E. Die drei genannten Bilder sind dann ungefähr
das, was die Kaufurkunde des Brügger Magistrats als «anders rikelicke ghestoffeert» bezeichnet. Man
wird so auch begreifen, daß Karl der Kühne trotz der verschwenderischen Ausstattung des Gebet-
buches mit Gold und Silber eine Ergänzung wünschte: der Bilderschmuck genügte ihm nicht.1

Wann die Blätter des A hinzugefügt wurden, läßt sich nicht genau sagen. Es ist unwahr-
scheinlich, daß sie — wie man vermutet hat — zunächst das Gebetbuch einer Dame schmückten
und aus diesem Zusammenhange gerissen wurden, um unserem Gebetbuch einverleibt zu werden,
da A Ergänzungen zu E bringt, bei denen er das Gebetbuch oder Teile desselben unbedingt in der
Hand gehabt haben muß.

Ich will zum Schlüsse eine Urkunde nicht unerwähnt lassen, die mir eine Bestätigung der
Ausführungen, E sei Philippe de Mazerolles, das Gebetbuch jenes 1466 vom Brügger Magistrat Karl
dem Kühnen geschenkte, zu enthalten scheint. Weale (a. a. O.) veröffentlichte eine Rechnung, laut
welcher Marc le Bongeteur, derselbe, der unser Gebetbuch an den Brügger Magistrat verkaufte,
Vrelant und zwei andere Mitglieder der Miniaturistengilde in Brügge vier Karinen Wein vom Ma-
gistrat erhielten. Der Grund der Schenkung wird nicht genannt; Weale vermutete aber, daß Vrelant
mit dem ersten Besitzer das von Mazerolles vollendete Gebetbuch abgeschätzt habe. Daß wir gerade
Vrelants Beteiligung am Schmuck unseres Gebetbuches nachweisen konnten, ist in diesem Zusammen-
hange gewiß nicht bedeutungslos. Weale scheint auch hier die Rechnung in den richtigen Zusam-
menhang gebracht zu haben, ich würde nur eine andere Deutung vorschlagen. Die eine Seite, die
Vrelant ausführte, könnte eine Gelegenheitsarbeit sein, wie sie ein in seiner Stadt sehr angesehener
Künstler — für Vrelant gilt das zweifellos — gelegentlich der Abschätzung ausführte oder auf Bitten
der Stadt hinzufügte. Die Stadt dankte ihrem Künstler durch Darreichung eines Ehrentrunkes, den
der Meister in Gemeinschaft mit dem ehemaligen Besitzer des Gebetbuches entgegennahm.

Es werden nicht wenige sein, die auch nach diesen Zeilen dabei beharren werden, daß das
Gebetbuch Karls des Kühnen und damit die Werke des Mazerolles erst von einer zukünftigen
Forschung endgültig aufgewiesen werden müssen. Wer möchte trotzdem bequem warten, bis uns
das entscheidende Dokument in den Schoß fällt?! Ja, wird es uns überhaupt je beschert werden
— wenn nicht auf dem oben beschrittenen Wege?

II. Eine flandrische Lokalschule um 1420—1460.

Der Meister der Privilegien von Flandern und Gent (Cod. 2583 der k. k. Hof-
bibliothek), der Meister des Guillebert von Metz.

Die «Statuten und Privilegien von Flandern und Gent» der Wiener Hofbibliothek (Cod. 2583)2
sind zwischen 1454 und 1467 für Philipp den Guten von Burgund geschaffen worden. Das späteste
Datum, das sich in der Handschrift findet, ist 1454 (fol. 38i), auch Ereignisse des Jahres 1453,

1 Die zahlreichen Pergamentblätter mit schwarzer Schrift, die sich an die 35 schwarzen Blätter anschließen, erklären
sich wohl so, daß der Illuminator, der für die Vervollständigung der Handschrift zu sorgen hatte, auch die Erweiterung des
Textes veranlaßte.

2 Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien II, S. 46. — Katalog der Miniaturenausstellung der k. k. Hof-
bibliothek 1902, Nr. 17g.
 
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