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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0323
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Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts.

3u

Der Künstler schmückte drei der genannten Handschriften für Philipp den Guten; wir dürfen
ihn somit zu den Hofkünstlern des Herzogs rechnen, auch wenn er den freigebig verliehenen Titel
eines «valet de chambre» des Herzogs von Burgund nicht geführt haben sollte. Suchen wir in den
von Laborde herausgegebenen Rechnungen der burgundischen Herzoge,1 so fällt ein Künstler-
miniaturist besonders in das Auge: Jean Dreux. Ich bekenne schon hier, daß es noch andere Hand-
schriftengruppen gibt, die Philipp zum Besteller haben und die auf Dreux bezogen werden können,
möchte aber doch auf den bisher
wenig beachteten Künstler hier
kurz hinweisen, da er am Hofe
Philipps eine nicht unwichtige
Rolle gespielt zu haben scheint.2
Dreux ist von 1440—1464 nach-
weisbar und wohnte wohl meist
in Brügge. Die Rechnungen von
1440 und 1442 3 geben den
Wohnsitz ausdrücklich an, auch
1450 scheinen die Rechnungen
diesen Ort anzudeuten ; 1448
unterzeichnet er eine Quittung in
Brüssel,4 wo er auch später ge-
wohnt haben muß. Wenigstens
gehörte ein Miniaturmaler Dreux
noch 1462 der Bruderschaft vom
hl. Kreuz in Brüssel an. Der
Künstler bekam nahezu Jahr für
Jahr vom Hofe Bezahlung und
scheint ständig im Dienste des
Herzogs gewesen zu sein. Wir
kennen keinen zweiten Miniatur-
maler jener Zeit mit so andauern-
den Beziehungen zum burgundi- Fig. 26- Lüttich, Musee d'Ansembourg.
sehen Hof. Die Jahre 1440 —1464,

die nach den Rechnungen Dreux' Tätigkeit abgrenzen, passen gut zu unserer Handschriftengruppe,
die in der Zeit von 1445—1467 geschaffen sein muß. Diese Übereinstimmung allein genügt zu einer
Identifikation gewiß nicht, auch müssen andere anonyme Künstler, wie der gleichzeitig tätige Meister
des ersten Bandes der «Histoire de Hainaut», in den Kreis der möglichen Identifikationen gezogen
werden. Ein anderer «varlet de chambre et enlumineur» des Herzogs, Jean de Prestinien, ist nach
den in den Urkunden genannten Aufträgen mehr mit handwerklichen Arbeiten beschäftigt gewesen.5
Von unserem Anonymus gibt es nun mehrere Werke, die man zunächst als von ihm selbst her-
rührend ansehen möchte, wegen einiger ständig wiederkehrender Abweichungen im Stil aber einem
zweiten Meister geben muß. Dieser ist laut einiger datierbarer Arbeiten vor dem Meister der
Privilegien von Flandern und Gent tätig gewesen.

1 L. de Laborde, Les ducs de Bourgogne, Bd. I—III.

2 L. de Laborde, a. a. O., Bd. I. — Pinchart, Archives des arts. sciences et lettres, Bd. I—III. — Eine Zusammen-
fassung der Urkunden ist kürzlich in U. Thiemes Allgemeinem Künstlerlexikon erschienen.

3 In letzterer figuriert Dreux als «Jean de Bruges», woraus Laborde einen zweiten Künstler machte. Pinchart stellte
zuerst den Sachverhalt klar, es handelt sich in der Tat bei diesem Jean de Bruges um Jean Dreux.

4 Abdruck der auf der Auktion der Bibliothek Saffrov vorkommenden Urkunde in Bibliotheque de l'ecole des chartes
1906, p. 588.

J L. de Laborde, a.a.O., Nr. 1344—1353 (von 1441) und Nr. 1374 (von 1444—1445).

XXXII. 42
 
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