Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

DOI article:
Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0328
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3 16

Friedrich Winkler.

artigen Felsen, die noch deutlich ihre italienische Abkunft erkennen lassen, sprechen für diese
Datierung. Ungewöhnlich ist die Darstellung des Engels links und des Teufels rechts, die die
Seelen der Schacher holen. In den Ranken treiben mißgestaltete Wesen ihr Spiel. Man sieht einen
bärtigen Mann mit Keule, mit Vogelleib und Vogelbeinen, ein drachenähnliches Ungeheuer mit
langem dünnen Hals, auf dem ein Menschenkopf sitzt, seinen Gegner mit Vogelleib, der Schild und

&u 6tc Cjin fitt ccCtu t) u^Yatucvfli y&fc (vÖHi
fiafii Bruces -Syomc&e ouVfivcc^ftfcue tat

OtitcmpfcScWfc 4rt tuu6 Cc n)»#crnk ow
V'/mit S: fätfcQtfk :$atatiTc Sc rfrvutfa^

tu crtott S^tmc ativ>om»mi»ie 'üiii ftyefc

Fig. 32. Brüssel, königl. Bibliothek, Cod. 9005.

Keule gegen ihn hebt. Ein Wildschwein mit Flügeln und langem Schweif und ein Esel mit
Spinnrahmen und fischförmigem Unterkörper vervollständigen diese merkwürdige Versammlung.

Zahlreiche Bilder führte der gleiche Meister in der Augustinushandschrift Nr. 9005/6 («De civi-
tate dei», französische Übersetzung von Raoul des Presles) in Brüssel aus.1 Sie wird schon im
Inventar von 1467 der burgundischen Bibliothek aufgeführt.2 Auf dem ersten Schutzblatt des ersten
Bandes findet sich die — wahrscheinlich ungefähr gleichzeitige — Inschrift (jedenfalls aus dem
XV. Jahrhundert): «C'est le premier volume de Saint Augustin de la Cite de Dieu (achetez du
gouverneur de Lille).» 3 Das Werk stammt somit aus Lille. Da die Notiz vermutlich spätestens

1 Comte A. Laborde, Les manuscrits ä peintures de la Cite de Dieu, Bd. III, Taf. 23—27. — Über die Landschaften
dieser Miniaturen vgl. F. v. Schubert-Soldern, Von Jan van Eyck bis Hier. Bosch (Studien zur deutschen Kunstgeschichte,
Heft 46), S. 5 ff. Man gewinnt aus seinen Darlegungen kein klares Bild, wie der Verfasser die Handschrift datiert, an-
scheinend noch in das XIV. Jahrhundert. Jedenfalls sind die starken Verstöße gegen die Perspektive weniger aus der Ent-
stehungszeit der Handschrift zu erklären als aus dem lokalen und zurückgebliebenen Stil des Meisters. Die Handschrift wird
um 1420 —1430 entstanden sein. Hulin (Les Heures de Milan, p. 28) datiert die Handschrift auf Grund kostümlicher Details,
die auch mir in diesem Falle sehr beachtenswert zu sein scheinen, um 1415.

2 Barrois, a. a. O., Nr. 728/9. Im Inventar von 1487 wird der zweite Band (Barrois, Nr. 1645) und wohl auch der
erste (Barrois, Nr. 1644) nochmals aufgeführt.

3 Ich entnehme über Liller Gouverneure unter Philipp dem Guten folgendes aus Doutrepont (La lite'rature francaise ä
la cour des ducs de Bourgogne, p. 136): cras. 18037/39 der Brüsseler Bibliothek enthält eine Liste derselben, aus der die
unter Philipp ernannten hier erwähnt seien:
 
Annotationen