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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0330
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318

Friedrich Winkler.

Gouverneur in Lille stammende Werk mit der für den Tournaier Bischof J. Chevrot 1445 ge-
schaffenen Handschrift in bestimmten Miniaturen stilistisch eng verwandt und daß das Titelbild
der Chevrot-Handschrift, obgleich stilistisch durchaus unähnlich, in der Anlage des Bildes deutlich
von der Handschrift des Liller Gouverneurs abhängig ist.

Die Bilder der zwei Bände der älteren Augustinushandschrift in Brüssel (9005/6) sind aus
einer einzigen Werkstatt, eben der des Meisters des Guillebert von Metz; doch stehen sie an

Sorgfalt der Durchführung hinter
den beiden anderen Brüsseler
Werken zurück. Das Inkarnat
ist durchgängig ein häßliches
Rotbraun. Daß an der Zuwei-
sung kein Zweifel sein kann,
lehrt ein Blick auf die Darstel-
lung des jüngsten Gerichts hier
(Fig. 3i) und im Brüsseler Ge-
betbuch (Fig. 3o). Besonders
schlagend ist neben der Ähn-
lichkeit in der Haltung des
Christus das Vorkommen der
weißen Wellenlinie der Wolken
am oberen Rande, die an den
höchsten und niedrigsten Teilen
der Kurve jeweils mit weißen
Punkten geziert ist. Die zahl-
reichen Drolerien zeigen durch-
aus den Stil des Gebetbuches
(Fig. 32). Hie und da treffen wir
kostümliche Details an, die eine
annähernde Datierung erlauben.
In einer Initiale (Fig. 33) auf
fol. 10 (1. Band) ist «le mau-
vais> dargestellt mit Zaddelrock
und breitem Schwerte, auf dem
Kopfe jenen Hut, den auch
der Arnolfini des Jan van Eyck
auf dem Bilde von 1434 in
London und der Stifter In-
ghelbrechts des noch früher
entstandenen Merodealtars vom

Meister von Flemalle trägt. Auf fol. 287' (1. Band) begegnen wir einer Frauenfigur «philo-
zophie» mit einer großen Scheibe vor dem Körper (Fig. 34). Ihre Kopfbedeckung besteht
aus einem über zwei Stoffhörner gelegten Tuch, es ist die Tracht der Frau Jan van Eycks
(Akademie zu Brügge ; von 1439). Auf dem Titelblatt des zweiten Bandes (Fig. 35) sehen
wir in gebirgiger Gegend die Stadt Babylon, ein seltsames Gemisch von Phantasiebauten und
flämischen Bürgerhäusern, wo Maurer eifrig tätig sind und Teufel das kaum vollendete Werk
zu zerstören drohen. Von dem silbernen Himmel heben sich ein paar Windmühlen ab.1 Auf

1 E. v. Bodenhausen (Jahrbuch der königl. preußischen Kunstsammlungen 1905, S. 114), der dieses Motiv auf der Ge-
fangennahme Christi der «Heures de Turin» (Fig. 4(1) beobachtete, möchte es für holländisch halten; es findet sich aber
auch in rein französischen Handschriften.

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Fig. 34. Brüssel, königl. Bibliothek, Cod. 9005, Fol. 287'
 
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