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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0336
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324

Friedrich Winkler.

Auch über die Herkunft des «flandrischen» Stils des Meisters des Guillebert läßt sich einiges
feststellen. Die hie und da auftauchende Dornblattranke verriet schon, daß der Meister französische
Werke kannte; die Verwandtschaft einzelner Bilder im Decamerone des Arsenals mit Miniaturen des
«Terence des Ducs» weist, falls die Beobachtung richtig ist, direkt auf Paris; doch scheinen mir
diese Beziehungen unwichtiger und gleichsam selbstverständlich gegenüber den bei dem Guillebert-
meister zweifellos zu beobachtenden italienischen Einflüssen. Ich bin nicht in der Lage, die Schule
anzugeben, wo er anknüpfte,1 nehme aber an, daß der Künstler auf einer Reise, die ihn vielleicht
längere Zeit an einen Ort — etwa Bologna — fesselte, Anregungen empfing. So erklären sich
beim Guillebertmeister die bei nordischen Künstlern ungewöhnlich vereinfachte Faltenzeichnung,

die Typik und zumal die grünen
Töne im Inkarnat. Ein berufe-
nerer Kenner der südfranzösisch-
oberitalienischen Miniaturen maie-
rei hat diesen Einfluß auch schon
beobachtet. Labande, dem wir
zwei Aufsätze über avignonesi-
sche Miniaturmalerei verdanken,
erklärt2 die Miniaturen der älte-
ren Augustinushandschrift in Brüs-
sel zwar für nordfranzösisch, zu-
gleich aber im Ornai lentschmuck
für italienisch beeinflußt: «le me-
hlige des fins rameaux francais
avec leurs feuilles triangulaires
et des enroulements de larges
feuillages aplatis, caracteristiques
du style Italien.»

Der italienische Einfluß auf
französische Miniaturen kann heute
Fig. 40. Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. francais 12575, Fol. 49. nicht mehr bestritten werden. Bis-

her waren uns aber nur die fran-
zösischen Miniaturen um und nach 1400 bekannt, die italienische Einflüsse aufwiesen. Auch ihre
Meister kamen selten nach Italien, vielmehr scheinen die sienesischen Werke in Avignon oft maß-
gebend gewesen zu sein, oft mag dem französischen Künstler die Kenntnis des italienischen Stils
durch Landsleute vermittelt worden sein. Unser Meister des Guillebert von Metz scheint dem
gegenüber selbst in Italien gewesen zu sein und dort sich seinen Stil gebildet zu haben. Er spielt
also wohl auch entwicklungsgeschichtlich eine beachtenswerte Rolle.

III. Zwei Utrechter Miniaturisten aus der Frühzeit der holländischen

Malerei und die Heures de Turin.

Die Meister des Gysbrecht von Brederode.

Der Bestand an Miniaturen holländischer Künstler des XV. Jahrhunderts ist größer, als ge-
meinhin angenommen wird; doch fehlt es an Werken, die sich mit den Tafelbildern eines Ouwater,
Bouts oder Geertgen messen können. Gerade die Handschriften, die schon von der älteren For-

1 Am meisten scheinen mir die Miniaturen des Niccolö da Bologna verwandt zu sein, die Tätigkeit des Niccölo scheint
aber mehrere Dezennien vor dem Auftreten des Guillebertmeisters zu enden.

2 Gazette des Beaux-Arts 1907, XXXVII, p. 291, n. 1.
 
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